„Ware Frau“
Der 25. November ist seit 1990 der von den Vereinten Nationen deklarierte „Internationale Tag zur Beseitigung jeder Form von Gewalt gegen Frauen“. Aus diesem Anlass lud die Gleichstellungsbeauftragte des Landkreises Potsdam-Mittelmark, Theresa Pauli, zu einem Film- und Gesprächsabend ein. Nach dem Dokumentarfilm „Ware Frau – Als Zwangsprosituierte in Deutschland“ von Lukas Roegler und Katrin Eckert wurde die Diskussion eröffnet. Der Film erzählt eindringlich von Mädchen und Frauen, die über Bekannte oder die eigene Familie aus Nigeria nach Deutschland gelockt und hier zur Prostitution gezwungen wurden und zeigt, welche gesellschaftlichen Strukturen in Deutschland Zwangsprostitution begünstigen. Darüber hinaus wird deutlich was hinter dem Begriff „Zwang“ steckt: finanzielle Abhängigkeit, sexuelle Ausbeutung, Androhung und Ausübung körperlicher Gewalt und Angst vor Abschiebung und verdeutlicht damit das Ausmaß der Drohkulisse, der die Mädchen und Frauen ausgesetzt sind.
Im Anschluss stellten sich die eingeladenen Expert_innen den Fragen der Gleichstellungsbeauftragten Theresa Pauli und des Filmpublikums. Barbara Eritt und Zelma Horvath berichteten über ihre Erfahrungen und Aufgaben als Beraterinnen der IN VIA Koordinations- und Beratungsstelle für Frauen, einer Anlaufstelle für Opfer von Menschenhandel aus Mittel- und Osteuropa in Berlin und Brandenburg. Ihre Sichtweise, nicht die Täter, sondern die Betroffenen in den Mittelpunkt zu stellen, ist Herzstück ihrer Arbeit. Diese besteht vor allem darin, den Frauen Informationen und Hilfestellungen sowie eine Perspektive zu geben. Sie beschreiben die Schwierigkeit unterscheiden zu können, ob Frauen ihrer Arbeit freiwillig nachgehen, oder ob sie Zwängen ausgesetzt sind.
Rechtsanwältin Barbara Petersen, die insbesondere Betroffene in Missbrauchs-, Vergewaltigungs- oder Menschenhandelsverfahren vertritt, und der Präventionsbeauftragten des Polizeipräsidiums Potsdam, Peter Urban diskutieren Fragen zur konkreten Situation in Brandenburg, zu Erfahrungen im Polizeidienst und im Gerichtssaal, zu Handlungsspielräumen, aber auch zu Herausforderungen bezüglich politischer und rechtlicher Strategien. Es wurde deutlich, dass Zwangsprostitution und Menschenhandel weder nur in Großstädten stattfindet noch nur Frauen mit Migrationsgeschichte betrifft. Die Rechtsanwältin nimmt an, dass etwa ein Viertel der Frauen die zur Prostitution gezwungen werden deutsche Frauen sind, wobei die offiziellen Fall- und Verfahrenszahlen wenig über das tatsächliche Ausmaß dieser Delikte aussagen – man vermutet eine Dunkelziffer. Zudem findet Zwangsprostitution über digitale soziale Netze statt, beispielsweise über die „Loverboy-Masche“, mit der Frauen angeworben werden. Außerdem wird in der Diskussion deutlich, dass Frauenhandel nicht nur in der Prostitution, sondern auch im Haushalt, in der Ehe und in der Landarbeit verbreitet sind.
Polizei und Staatsanwalt ist es vor allem ein Anliegen, dass die betroffenen Frauen vor Gericht eine Aussage machen, denn ohne diese gibt es kein Verfahren. Darin besteht allerdings eines der größten Probleme: die Betroffenen sind oft weder anzeige- noch aussagebereit. Der oftmals illegalisierte Aufenthaltsstatus und damit die Angst vor einer Abschiebung, sowie Gewaltandrohungen gegen ihre Familie begründen das fehlende Vertrauen zu offiziellen Stellen, die ihnen eigentlich helfen könnten.
Es herrschte Konsens darüber, dass der Schutz der Frauen, aber auch die juristische und psychosoziale Betreuung sowie ganzheitliche Versorgung oberste Priorität sein sollte. Weitere wichtige Aspekte sind sowohl die Information und Aufklärung der Öffentlichkeit als auch die Sensibilisierung der zuständigen Behörden für diese Problematik. Dazu bedarf es der engen Zusammenarbeit aller Akteur_innen – zwischen spezialisierten Fachberatungsstellen, Sozialarbeiter_innen, der Polizei und Anwält_innen, um Menschenhandel und Zwangsprostitution wirksam bekämpfen zu können.
Text: Natalie Buschhorn & Verena Letsch
Fotos: Natalie Buschhorn