Schnörkellos – Das Bundestagswahlprogramm der Linken
Die Linke ist mit 64 Abgeordneten ganz knapp die größere der beiden Oppositionsfraktionen im aktuellen deutschen Bundestag. Mit 35 Frauen haben sie prozentual die höchste Frauenquote aller Parteien im Parlament.
2007 entstand die Linke durch eine Fusion der mehrheitlich in Ostdeutschland aktiven Linkspartei.PDS, die ihrerseits aus der SED hervorgegangen war, und der eher westdeutsch geprägten WASG, einer Abspaltung der SPD. Seit 2005 sitzt die Partei durchgängig im Bundestag. Bei der letzten Wahl 2013 erhielten sie 8,6 Prozent der Stimmen.
Dieses Jahr führen Sahra Wagenknecht und Dietmar Bartsch die Partei als Spitzenduo in den Bundestagswahlkampf. Die Brandenburgische Landesliste umfasst zehn Plätze und ist komplett paritätisch besetzt. Hier kann man sehen, wer in welchem Wahlkreis kandidiert.
Das Wahlprogramm zur Bundestagswahl 2017 trägt den etwas umständlichen Titel „SOZIAL. GERECHT. FRIEDEN. FÜR ALLE – Die Zukunft, für die wir kämpfen!“ und verwendet nur teilweise geschlechtergerechte Sprache. Hier wird sich nicht mit politischer Prosa aufgehalten. Es geht sofort schnörkellos zur Sache, schließlich ist viel zu tun.
In der Einleitung werden die verschiedenen Probleme unserer Welt aufgezählt, und die Wurzel allen Übels ist schnell ausgemacht. Im Absatz zum Thema Klimaschutz kommt z.B. dieser starke Satz: „Wir müssen uns entscheiden, was wir retten wollen: Kapitalismus oder Klima.“ (S. 9) Die Linke hat sich entschieden und der Kapitalismus ist es nicht.
Ohne direkt Namen zu nennen, positioniert sich die Linke im politischen Spektrum. „Gegen einen rechten Kulturkampf, gegen die falschen Versprechen, dass es ‚uns‘ besser geht, wenn es ‚den anderen‘ schlechter geht, wollen wir eine Gesellschaft, in der wir ohne Angst verschieden sein können.“ (S. 10) Die gewünschten Umwälzungen werden auch global gedacht, denn die großen Ziele können nicht kleinteilig erreicht werden. „DIE LINKE kämpft daher für Alternativen zum Kapitalismus. Wir wollen einen neuen Sozialismus, einen demokratischen, ökologischen, feministischen und lustvollen Sozialismus.“ (S. 10) Die Partei weiß, dass es dafür nicht weniger als eine Revolution braucht.
Arbeit ist das halbe Leben
Das erste von insgesamt 18 Kapiteln widmet sich dem Arbeitsmarkt. In diesem Bereich hat die Linke sehr konkrete Vorschläge. Als Sofortmaßnahme soll der Mindestlohn auf 12 Euro pro Stunde angehoben werden. Momentan beträgt er 8,50 Euro. Die Linke möchte außerdem alle Ausnahmeregelungen, z.B. für Langzeitarbeitslose oder Auszubildende, sofort streichen. (S. 13)
Grundlose Befristungen von Arbeitsverträgen sollen ebenfalls wegfallen. „Der zweite Arbeitsvertrag beim gleichen Arbeitgeber muss unbefristet sein, Befristungen sollen auf längstens ein Jahr beschränkt werden.“ (S. 13)
In Leiharbeit beschäftigte sollen den gleichen Lohn wie Festangestellte erhalten plus einer Flexibilitätszulage von 10 Prozent. Mini- und Midi-Jobs werden als Vorlage für Altersarmut gesehen und sollen daher abgeschafft werden. Die Linke möchte, dass alle Beschäftigungen voll in die Sozialversicherung einbezogen sind und es soll einen Rechtsanspruch auf eine Mindeststundenzahl von 22 Stunden pro Woche im Arbeitsvertrag geben. „Ausnahmen darf es nur aus schwerwiegenden wirtschaftlichen Gründen geben.“ (S. 14)
Gehälter sollen nicht nur nach unten sondern auch nach oben begrenzt werden. „Wir wollen verbindliche Obergrenzen für Manager- und Vorstandsgehälter: Sie dürfen nicht mehr als das Zwanzigfache des niedrigsten Gehalts im Unternehmen betragen.“ (S. 15) Am liebsten würde die Partei aber noch weiter gehen. „Wir schlagen vor, dass niemand mehr als vierzig Mal so viel verdienen sollte wie das gesellschaftliche Minimum. Das sind derzeit knapp eine halbe Million Euro im Jahr.“ (S. 15)
In unserer digitalisierten Welt sind wir alle leichter erreichbar. Dem erteilt das Programm eine klare Absage. „Es gibt ein Recht auf Feierabend. […] Wir wollen das Recht auf Nichterreichbarkeit außerhalb der Arbeitszeit sowie eine Begrenzung und den zeitnahen Ausgleich von Mehrarbeit gesetzlich verankern.“ (S. 18)
Der für mich spannendste Vorschlag in diesem Kapitel ist die Neudefinierung der Vollzeit. „Unser Ziel ist klar: Sechs Stunden Arbeit pro Tag im Schnitt sind genug! Im 20. Jahrhundert war der Acht-Stunden-Tag ein Erfolg der Kämpfe der Bewegung der Arbeiterinnen und Arbeiter. Im 21. Jahrhundert brauchen wir eine flexiblere und kürzere Normalarbeitszeit, eine kurze Vollzeit, die um die 30-Stunden-Woche kreist.“ (S. 19) Dabei soll das Lohnniveau allerdings nicht auch nach unten angepasst werden. Dieser Vorschlag will Arbeit im großen Stil umverteilen, damit nicht mehr die einen erwerbslos sind, während die anderen in Stress und Überstunden versinken. In Schweden gab es schon mal ein Experiment in diese Richtung.
Die Linke möchte auch mehr Beteiligung der Belegschaften an allen betrieblichen Entscheidungen. Sollte eine Firma keinen Betriebsrat haben, soll es jährliche Versammlungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geben, auf denen Gewerkschaften über das Betriebsverfassungsgesetz informieren. (S. 20) „Belegschaften müssen einmal im Monat zwei Stunden Beratungszeit während der Arbeitszeit erhalten, um sich über Fragen zur Arbeitsgestaltung und Arbeitszeit austauschen und Initiativen zur Mitbestimmung entwickeln zu können.“ (S. 21) Der Vorschlag ist ein Beispiel dafür, wie kleinteilig und konkret das Programm der Linken an vielen Stellen wird. Hier wurde bis auf die kleinste Ebene runtergedacht.
Ein Ende der Armut
Das zweite Kapitel widmet sich der Rente. Auch hier gibt es ein klares, quantifiziertes Ziel: „Wir wollen eine Solidarische Mindestrente von 1.050 Euro netto im Monat – darunter droht Armut.“ (S. 21)
Die Anhebung des Rentenniveaus auf 53 Prozent wurde auch schon mal durchgerechnet. „Ein Rentenniveau von 53 Prozent kostet Beschäftigte und Arbeitgeber bei einem durchschnittlichen Verdienst von 3.092 Euro nur je 32 Euro mehr im Monat. Die vier Prozent Beitrag von 110 Euro (nach Zulagen) für ein Riesterrente könnten dafür entfallen.“ (S. 22) Die Riester-Rente soll in eine gesetzliche Rente überführt werden. Für jedes Kind sollen drei Entgeldpunkte gutgeschrieben werden, egal wann oder wo es geboren wurde. „Diese Verbesserung muss als gesamtgesellschaftliche Aufgabe aus Steuern finanziert werden.“ (S. 22) Arbeitgebende sollen bei der betrieblichen Altersvorsorge mehr in die Pflicht genommen werden und das Renteneintrittsalter soll wieder zurück auf 65 gehen. Außerdem sollen die Ost-Renten sofort an West-Niveau angepasst werden. (S. 23)
Falls die eigene Altersvorsorge die Grenze von 1.050 Euro monatlich unterschreitet soll es einen Zuschlag geben. „Die Solidarische Mindestrente ist einkommens- und vermögensgeprüft. Sie wird aus Steuern finanziert.“ (S. 23)
Das dritte Kapitel widmet sich der sozialen Sicherheit. Auch hier möchte die Linke weitreichende Veränderungen erreichen. „Das Hartz-IV-System ist gescheitert und muss abgeschafft werden! Wir ersetzen es durch eine sanktionsfreie Mindestsicherung.“ (S. 24) Arbeitslosengeld I soll drei Jahre lang gezahlt werden und bereits nach einer Anwartschaft von sechs Monaten zur Verfügung stehen. Alle Sperrzeiten und Sanktionen im SGB II und SGB III sollen abgeschafft werden. „Wir wollen ein Recht auf Erwerbsarbeit und ein Recht, auch eine konkrete Arbeit abzulehnen […].“ (S. 24)
Für Menschen, die aufgrund von körperlichen oder psychischen Beeinträchtigungen nicht den Weg in den ersten Arbeitsmarkt finden, soll es einen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor geben. „Die Entlohnung darf den Mindestlohn und einen Bruttolohn von monatlich mindestens 1.500 Euro (Vollzeit) nicht unterschreiten.“ (S. 25) Diese Angebote sind für die Erwerbslosen freiwillig.
Auch Geflüchtete sollen in dieses System der Mindestsicherung einbezogen werden. Das Asylbewerberleistungsgesetz soll abgeschafft werden. (S. 26)
Die Linke möchte ein Sozialticket im Öffentlichen Nahverkehr und strebt perspektivisch einen entgeldfreien öffentlichen Nahverkehr für alle an. (S. 26) Schwarzfahren soll entkriminalisiert und nicht härter bestraft werden als Falschparken. (S. 86)
Zum Thema bedingungsloses Grundeinkommen überrascht das Programm mit einer ehrlichen Aussage zur Unentschiedenheit: „DIE LINKE thematisiert das Grundeinkommen wie viele soziale Bewegungen, Nicht-Regierungsorganisationen und Verbände. Dabei ist DIE LINKE nicht entschieden, wir wollen die kontroversen Diskussionen weiterführen. Auch deshalb unterstützt DIE LINKE die Einsetzung einer Enquete-Kommission zum Grundeinkommen im Deutschen Bundestag.“ (S. 26)
Es wird sehr ausführlich auf das Thema Kinderarmut eingegangen. Die Linke möchte einen eigenen Aktionsplan, der das Problem angeht. Ganz allgemein soll die öffentliche und soziale Infrastruktur für Kinder und Jugendliche verbessert werden. Z.B. soll es in Schule und Kita kostenlose Mahlzeiten geben. (S. 26) Das Kindergeld soll sofort auf 328 Euro angehoben werden und es soll für alle in Deutschland lebenden Kinder und Jugendliche „eine eigenständige, individuelle Grundsicherung in Höhe von zu versteuernden 573 Euro“ (S. 27) geben. Kindergeld und Unterhaltsvorschuss sollen nicht mehr auf SGB-II-Leistungen angerechnet werden. (S. 28)
Vor dem Krankenhaus sind alle gleich
Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit den Themen Pflege und Gesundheit. Gleich vorneweg wird ein Punkt erwähnt, der so explizit in den bisherigen Programmen nicht behandelt wurde. „Wir wollen das Gesundheitswesen von Barrieren befreien: Hindernisse beim Zugang zu Arztpraxen und Krankenhäusern müssen beseitigt, Untersuchungstechniken und Behandlungsmethoden den besonderen Bedürfnissen von Menschen mit Behinderung angepasst werden.“ (S. 29)
Statt einer Einteilung in gesetzliche und private Krankenversicherungen, möchte die Linke eine Solidarische Gesundheitsversicherung ohne Zuzahlungen mit paritätischer Finanzierung. „Wir wollen, dass alle in Deutschland lebenden Menschen Mitglied der Solidarischen Gesundheitsversicherung werden, auch die derzeit Privatversicherten.“ (S. 30) Das schließt auch Abgeordnete und Selbständige mit ein. Die Linke rechnet aus, dass der Beitragssatz so von derzeit durchschnittlich 15,7 Prozent auf unter 12 Prozent gesenkt werden könnte. Private Krankenversicherungen soll es nur noch für Zusatzleistungen geben. (S. 30)
Wie zu erwarten, möchte die Linke jegliche Privatisierungen im Gesundheitssektor unterbinden bzw. sogar zurück nehmen. Gesundheitsversorgung wird als öffentliche Daseinsvorsorge betrachtet, die nicht den Regeln des Marktes unterworfen sein sollte. (S. 31)
Gesundheits- und Heilberufe sollen besser bezahlt werden. Die Ausbildung in diesem Bereich soll gebührenfrei und alle Arbeitsleistungen während der Ausbildung sollen vergütet sein. Das gleiche gilt für die psychotherapeutische Ausbildung. (S. 32)
Um das Problem der teuren Haftpflichtversicherung für Hebammen zu lösen, schlägt das Programm einen öffentlichen Haftungsfonds vor, der Hebammen und Entbindungspfleger unabhängig von den privaten Versicherungen machen würde. (S. 33)
Es wird ausführlich auf den Pflegenotstand eingegangen und in diesem Zusammenhang wird auch die besondere Rolle, die Frauen dabei spielen, ausdrücklich erwähnt. „Noch immer pflegen vor allem Frauen – Ehe- und Lebenspartnerinnen, Töchter und Schwiegertöchter.“ (S. 35) Die Linke möchte Abhilfe schaffen, indem sie eine Pflegevollversicherung einführt, die alle pflegebedingten Leistungen umfasst und ohne Eigenanteile auskommt. Genau wie in der Solidarischen Gesundheitsversicherung sollen auch hier alle Menschen einbezogen werden, unabhängig von der Art ihrer Erwerbstätigkeit. Um dem Personalnotstand zu begegnen, soll es einen Pflegepersonalfonds geben, statt des Pflegevorsorgefonds, und eine bundesweit verbindliche Fachkraftquote von mindestens 50 Prozent in Pflegeeinrichtungen. Der Pflegemindestlohn soll sofort auf 14,50 Euro erhöht werden. „Keine Pflegefachkraft sollte unter 3.000 Euro (Vollzeit) verdienen.“ (S. 36)
Die Rechnung bitte
Das fünfte Kapitel verrät, wie die ganzen Vorhaben finanziert werden sollen. „Unser Programm für eine Zukunft, für die es sich zu kämpfen lohnt, ist kein Wunschdenken. Es ist nicht unrealistisch. Es ist machbar, und wir wissen, wie wir es bezahlen werden.“ (S. 37)
Die Linke versucht an dieser Stelle nicht, irgendetwas schön zu reden, oder potenzielle Großspenderinnen und Großspender bei guter Laune zu halten. Vermögen ab einer Million Euro soll mit 5 Prozent besteuert werden. Die erste Million ist davon frei gestellt, betriebsnotwendiges Vermögen kann bis fünf Millionen freigestellt werden. Die Erbschaftssteuer soll erhöht werden, die Körperschaftssteuer soll zurück auf 25 Prozent und Steuerhinterziehung soll wirksamer bekämpft werden. Eine neue Finanztransaktionssteuer und Gemeindewirtschaftssteuer soll für Mehreinnahmen sorgen. Am Ende jedes Absatzes wird immer gleich ausgerechnet, wie hoch die Mehreinnahmen dadurch wären, und wofür die Linke diese verwenden will. „Unsere Forderungen sind gegengerechnet und realistisch.“ (S. 38)
Die Lohnsteuer soll angepasst werden, so dass niedrige Einkommen entlastet werden. Unter 12.600 Euro im Jahr sind keine Lohnsteuern fällig. (S. 38) Ab 70.000 Euro zu versteuerndes Einkommen im Jahr sollen 53 Prozent bezahlt werden. (S. 39)
Es soll eine zweistufige Reichensteuer geben. Ab 260.533 Euro im Jahr werden 60 Prozent abgezogen, Einkommen oberhalb einer Million wird mit 75 Prozent besteuert. „Als Faustregel gilt: Wer (als Single, Steuerklasse I) weniger als 7.100 Euro im Monat brutto hat, zahlt nach unserem Tarif weniger Steuern.“ (S. 39) Die Vorteile der verbesserten öffentlichen Daseinsvorsorge und solidarischen Gesundheitsversicherung kommen allen zugute. Das Ehegattensplitting soll durch familienfreundlichere Steuermodelle ersetzt werden. (S. 39)
Die Linke möchte jährlich über 120 Milliarden Euro in die öffentliche Daseinsvorsorge und Infrastruktur investieren. (S. 40) Die Hälfte davon soll durch höhere Einnahmen aus Steuern und Sozialbeiträgen finanziert werden. Um die andere Hälfte auch sicherzustellen, spricht sich die Linke mit eindeutigen Worten gegen die Schuldenbremse aus. Bei der Schuldenbremse handelt es sich um eine Regelung, die 2009 mit Zweidrittelmehrheiten in Bundestag und Bundesrat beschlossen wurde, welche es Bund, Ländern und Kommunen verbietet, ihren Haushalt mit Hilfe von neu aufgenommenen Krediten auszugleichen.
Die Linke lehnt diese Regelung grundlegend ab. „Infrastruktur, die Generationen halten wird, kann auch im Vorgriff auf die nächsten Generationen finanziert werden. Kredite in diesem Sinne auszuschließen, ist unverantwortlich und wirtschaftlich unsinnig, noch dazu angesichts der aktuellen Zinsen.“ (S. 41) Diese sind gerade historisch niedrig.
Grundlegende Bereiche der öffentlichen Daseinsvorsorge gehören für die Linke in öffentliche Hand. Das ist für die Partei eine unumstößliche Koalitionsbedingung. „Wir werden uns daher an keiner Regierung beteiligen oder sie tolerieren, die öffentliche Daseinsvorsorge privatisiert.“ (S. 41)
„DIE LINKE sieht das Öffentliche als zentralen Bestandteil der Demokratie.“ (S. 41) Was genau damit gemeint ist, wird auf einer ganzen Seite ausgeführt. Die Öffentlichkeit soll bei allen öffentlichen Diensten, Einrichtungen und auch Unternehmen Mitspracherecht haben. Die Menschen „müssen an Entscheidungen und der Gestaltung ihres Lebensumfeldes beteiligt sein. Dazu bedarf es einer umfassenden Änderung des Gesellschaftsrechts.“ (S. 42) Ich würde noch hinzufügen, dass es dafür auch eine neue Mentalität braucht. Partizipation kostet Kraft und Zeit, die viele Menschen momentan nicht aufbringen können oder wollen.
Kampf den Spekulationen
Ein ganz wichtiger Bereich des Lebens ist das Wohnen. In vielen Ballungszentren steigen die Mieten und machen es vielen Menschen schwer, dort noch wohnen zu bleiben. Der Grund? „Das Kapital walzt durch die Städte.“ (S. 44) Da ließ sich das Programm doch mal ganz kurz zur Poesie hinreißen.
Die Linke findet, dass niemand mehr als ein Drittel seines Einkommens für die Miete ausgeben sollte. „Wohnen ist ein Menschenrecht, das nicht dem Markt überlassen werden darf.“ (S. 45) Es soll eine echte Mietpreisbremse eingeführt werden. In Kommunen mit angespannten Wohnungsmarkt soll die Nutzung von Mietwohnungen als Ferienwohnung untersagt werden. In Millieuschutzgebieten soll eine Obergrenze von 8,50 Euro pro Quadratmeter und ein Umwandlungsverbot von Miet- in Eigentumswohnungen eingeführt werden. (S. 45)
Immobilienspekulation soll eingedämmt werden, dafür soll Immobilienfonds die Zulassung entzogen werden. Aus Spekulationsgründen leerstehender Wohnraum soll beschlagnahmt und einer obligatorischen Zwischennutzung zugeführt werden. Und damit nicht genug. „Zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich mit Mitteln des zivilen Ungehorsams für eine zweckgemäße Nutzung von Wohnraum einsetzen (‚Besetzungen‘), müssen legalisiert werden.“ (S. 46) Guck an!
„Städte sind lebenswert, wenn die Menschen sie mitgestalten können. Es braucht mehr Mitsprache bei Stadtumbauprojekten, innerstädtischer Nachverdichtungen und großen Neubauvorhaben.“ (S. 47) Ein Schelm, wer dabei an die Potsdamer Mitte denken muss.
Im Kapitel zur Bildung wird gleich am Anfang das zentrale deutsche Problem der Bildungsungerechtigkeit thematisiert. „Der Zugang zu Bildung ist in Deutschland stark von der sozialen Herkunft abhängig. Wer wohlhabende Eltern hat, hat deutlich bessere Chancen, Abitur zu machen und zu studieren.“ (S. 50) Das ist ein wenig irreführend. Als Maßstab für Zukunftschancen der Kinder wird in den meisten Studien nicht das Einkommen der Eltern, sondern deren Bildungsgrad zugrunde gelegt. Ein Uni-Abschluss bedeutet nicht automatisch Wohlstand. Trotzdem, das Kernproblem bleibt bestehen.
Die Linke möchte das Kooperationsverbot, was dem Bund größtenteils Finanzierung von Bildungsaufgaben untersagt, abschaffen. (S. 50) Dieses Kooperationsverbot ist in allen bisher behandelten Programmen so unbeliebt, dass ich mich Frage, wie es überhaupt zustande kommen konnte.
Die Linke bekennt sich unumwunden zur inklusiven Schule. Um soziale Ungleichheiten auszugleichen, soll es eine Gemeinschaftsschule geben, in der länger gemeinsam gelernt wird. In Kitas soll es einen bundesweit einheitlichen Betreuungsschlüssel geben, von maximal drei Kindern unter drei und maximal acht Kindern ab drei Jahren pro Betreuungsperson. „Wir wollen gebührenfreie Kitas (Elternbeitragsfreiheit) und kämpfen für die Abschaffung jeglicher Gebühren im öffentlichen Bildungssystem.“ (S. 51)
Um mehr Personal für die Erziehungs- und Bildungsarbeit zu gewinnen, sollen die Arbeitsbedingungen und Bezahlung verbessert und das Ausbildungssystem reformiert werden. „Wir wollen die Ausbildung als Erzieherin und Erzieher in der frühkindlichen Bildung auf Hochschulniveau anheben. Aber auch für Frauen und Männer ohne Hochschulzugangsberechtigung wollen wir attraktivere Berufsbilder in der Kindertagesbetreuung schaffen. Das beginnt mit einer Vergütung in der Ausbildung und des Abschaffung des Schulgeldes.“ (S. 51)
Auch in diesem Programm wird von Weiterbildungen und lebenslangem Lernen gesprochen, aber mit einem interessanten Dreh: „Wir setzen uns für lebenslanges, lebensbegleitendes Lernen ein: als Angebot, nicht als Pflicht zur Selbstoptimierung!“ (S. 54)
Dieser Druck soll auch aus dem Hochschulbereich herausgenommen werden. „Das Studium ist von Leistungsdruck und Zeitdruck geprägt. Viele werden durch Zugangshürden ausgeschlossen. Das ist politisch gewollt.“ (S. 54) Ohne ein paar weitere erklärende Worte zu dieser Aussage fürchte ich, dass das wie eine Verschwörungstheorie klingt.
Bei der finanziellen Förderung wird gleich ganz hoch gegriffen. „Das BAföG muss an die Lebenswirklichkeit angepasst werden und die Ausbildung umfassend finanzieren. Wir setzen uns für ein elternunabhängiges, rückzahlungsfreies BAföG in Höhe von 1.050 Euro netto ein.“ (S. 56) Eine finanzielle Unterstützung in dieser Höhe würde ganz bestimmt einen Unterschied machen, bei der sozial-ökonomischen Zusammensetzung der Studierenden.
An den Universitäten soll eine 50-prozentige Frauenquote auf jeder Karrierestufe durchgesetzt werden. (S. 56)
Unvollendete Gerechtigkeit
Ein eigenes Kapitel widmet sich den Lebensverhältnissen in Ostdeutschland und ihren Unterschieden zum Westen des Landes. „Wir haben eine besondere Verantwortung im Umgang mit diesen sozialen wie regionalen Ungleichheiten und Umbrüchen.“ (S. 61) Die Partei versteht sich als einzige Vertreterin der ostdeutschen Interessen im Bundestag und möchte sich in der nächsten Legislaturperiode dafür einsetzen, dass eine Enquetekommission eingesetzt wird, die die „Treuhandpolitik, Privatisierungen und die Goldgräberstimmung krimineller Investoren in den 1990er Jahren“ (S. 62) aufarbeitet.
Beim Thema Einwanderungsgesellschaft heißt es: „Integration ist keine Bringschuld der Einzelnen. Die Integration einer demokratischen Gesellschaft schließt das Recht auf unterschiedliche Lebensentwürfe ein.“ (S. 64) Es wird mit der Linken keine Obergrenzen für Asyl geben und auch andere Motive als nur die Flucht vor politischer Verfolgung oder Krieg sollen zum Aufenthaltsrecht führen. (S. 65) Bei Integrationsangeboten soll ein besonderes Augenmerk auf Migrantinnen und geflüchtete Frauen gelegt werden. „Wir werden ein flächendeckendes Programm auflegen, um Frauen dabei zu unterstützen, ein selbstbestimmtes Leben zu führen.“ (S. 65) Das ist schön, wenn auch vage.
Bei der Einwanderung werden jegliche Quoten, Kontingente oder Punktesysteme abgelehnt. „Sie dienen lediglich der Verwertungslogik des Kapitals und sind Instrumente einer selektiven Einwanderungspolitik.“ (S. 66)
Das zwölfte Kapitel ist der Grund, warum wir alle hier sind (oder zumindest die meisten von uns). Es geht um Feminismus. Die feministische Bewegung hat in der Vergangenheit viel erreicht. „Doch die Revolution der Geschlechterverhältnisse ist unvollendet.“ (S. 67) Amen. Danke. „Der Kampf gegen den alltäglichen Sexismus stößt noch immer auf erbitterten Widerstand von Verteidigern des Patriarchats.“ (S. 67)
Frauen sind in der Arbeitswelt noch immer strukturell benachteiligt und Migrantinnen „werden durch Rassismus doppelt diskriminiert und in der Folge besonders stigmatisiert und ausgebeutet.“ (S. 67)
Die Linke möchte die Gleichstellung und dann noch viel viel mehr. „[…] Gleichstellung ist nur ein Etappenziel. Es geht nicht darum, dass Frauen das gleiche Recht bekommen sollen, sich im Hamsterrad bis zur Erschöpfung abzustrampeln, ihre Arbeit unter Zeitstress zu erledigen und schlecht bezahlt zu werden – so wie viele Männer auch.“ (S. 67) Nur wenn der Kapitalismus überwunden ist, kann es echte Emanzipation geben. „Es geht um soziale Gerechtigkeit und Solidarität statt individuellem Durchschlagen gegen Männerdominanz und Konkurrenz. Das ist linker Feminismus.“ (S. 68)
Die Linke möchte ein verbindliches Entgeldgleichheitsgesetz, ein Gleichstellungsgesetz, dass nicht nur die 101 Dax-notieren Unternehmen betrifft und eine verbindliche Frauenquote von 50 Prozent für alle Aufsichtsräte sowie für die Vorstände aller Unternehmen. (S. 68) Es soll ein Parité-Gesetz geben, das die Parteien verpflichtet, ihre Wahllisten und Wahlkreise geschlechterparitätisch aufzustellen. (S. 69)
Die steuerliche Betrachtung von Familien soll sich ändern, damit Frauen hier nicht mehr implizit benachteiligt oder in die finanzielle Abhängigkeit gedrängt werden. „Die Ehe soll perspektivisch durch ein System der Wahlverwandtschaft ergänzt werden.“ (S. 69) Die AfD fängt bei diesem Satz an zu schwitzen. Es sollen bis zu vier Personen Eltern eines Kindes sein können und so in Co-Elternschaft das gemeinsame Sorgerecht innehaben. (S. 70)
„Sowohl das Verbot von Kopftüchern wie der Zwang dazu wären eine Einschränkung der Entfaltungsmöglichkeiten von Frauen.“ (S. 70) Die Linke lehnt Druck in beide Richtungen ab.
Schwangerschaftsabbrüche sollen nicht nur legalisiert werden, es soll auch ein Recht auf sicheren, wohnortnahen und barrierefreien Zugang dazu geben. (S. 70) „Auch Frauenhygieneprodukte müssen von öffentlichen Gesundheitsstellen kostenlos zur Verfügung gestellt werden.“ (S. 70) Zumindest sollten sie nicht mehr mit dem ‚Luxusartikel‘-Mehrwertssteuersatz von 19 Prozent belegt werden. Grundsätzliche Hygiene ist schließlich kein Luxus. In Schottland gibt es übrigens ein Modellprojekt, was kostenlos Tampons und Binden ausgibt.
Zum Thema Prostitution, das auch im Feminismus sehr kontrovers diskutiert wird, herrscht bei der Linken keine Einigkeit. „In der LINKEN werden unterschiedliche Wege diskutiert, mit Prostitution politisch umzugehen. Einigkeit besteht darin: Die in der Prostitution Tätigen müssen geschützt werden. Sie dürfen nicht zu Objekten gemacht werden.“ (S. 70)
Der 8. März soll ein gesetzlicher Feiertag werden. (S. 72)
Das nächste Kapitel heißt „Queer“ und ich freue mich sehr, dass dieses Thema einen eigenen Platz in einem deutschen Bundestagswahlprogramm bekommt. Die Linke möchte helfen, „mit der staatlichen und gesellschaftlichen Heteronormativität, Cisnormativität und der Zweigeschlechtlichkeit als Norm zu brechen“ (S. 72). Die Öffnung der Ehe ist dabei nur ein erster Schritt. Jegliche Gemeinschaft, die sich einander verbunden fühlt, auch bestehend aus mehr als zwei Personen, soll vor dem Gesetz füreinander Verantwortung übernehmen dürfen. Das soll sich auch auf Bereiche wie Besuchsrecht im Krankheitsfall, Adoptionsrecht und Ausageverweigerungsrecht auswirken. (S. 72)
Klima und Krieg
Die Linke sieht dringenden Handlungsbedarf beim Klimawandel und möchte den Ökostromanteil sukzessive bis 2040 auf 100 Prozent erhöhen. (S. 81) Fracking soll ohne Ausnahme verboten werden und der Kohleausstieg bis 2035 vollendet sein. (S. 83) „Der Ausstieg aus der Atomkraft muss im Grundgesetz festgeschrieben und alle in Betrieb befindlichen Atomkraftwerke müssen unverzüglich abgeschaltet werden.“ (S. 84)
Die PKW-Maut wird abgelehnt mit zwei interessanten Begründungen. Erstens bietet sie die Voraussetzung für Privatisierung und zweitens schafft sie „den gläsernen Bürger“ (S. 85). Der Datenschutzaspekt wurde in den bisher behandelten Programmen noch nicht erwähnt.
„Um Menschen und Klima zu schützen, brauchen wir endlich auch Tempolimits: 120 km/h auf Autobahnen und ein Regelgeschwindigkeit von 30 km/h in Ortschaften.“ (S. 86)
Auch der Flugverkehr schadet dem Klima. Auf Flugtickets soll wieder der volle Mehrwertsteuersatz erhoben werden. „Als Sofortmaßnahme wollen wir den Ausbau weiterer Flugkapazitäten sofort beenden.“ (S. 88) Vielleicht wird der BER auf diese Weise von seinem Leid erlöst.
Wir haben nun schon den größeren Teil des Programms hinter uns und noch immer fiel kein Wort zur Außenpolitik. Das ist kein Zufall. Die Linke hat nicht vor, Deutschland als weltweite Einflussmacht zu installieren. „Wenn die Regierung von ‚deutscher Verantwortung in der Welt‘ spricht, sagen wir: Das muss eine Verantwortung für Abrüstung und friedliche Konfliktlösungen sein.“ (S. 94) Die Partei möchte sämtliche Rüstungsexporte verbieten und alle deutschen Streitkräfte aus dem Ausland zurückziehen, denn „[e]ine Politik der Dominanz und Hegemonie einzelner Staaten weisen wir zurück“ (S. 95). Auch der Einsatz der Bundeswehr im Inneren wird abgelehnt. (S. 96)
Die Linke unterstützt die Initiative für ein sogenanntes Zivilsteuergesetz. Hierbei könnten einzelne Bürgerinnen und Bürger der Verwendung ihrer Steuern für militärische Zwecke widersprechen. (S. 96)
Auch ohne die Option auf militärische Intervention möchte die Linke Fluchtursachen bekämpfen. „Im Zentrum steht das Recht, nicht migrieren zu müssen.“ (S. 97) Das ist sehr schön ausgedrückt.
Wenn es um europäische Friedenspolitik geht, kann Russland nicht unerwähnt bleiben. „Viele Menschen in unserem Land sind beunruhigt wegen der Verschlechterung der Beziehungen Deutschlands und der EU zu Russland. Von einem gemeinsamen Haus Europa, von der Friedensdividende nach dem Ende des Kalten Krieges, spricht heute keiner mehr.“ (S. 100) Ist das so? Sind wirklich viele Menschen beunruhigt? Im folgenden Absatz wird über die gegenseitige Politik der Konfrontation und den laufenden Krieg in der Ukraine gesprochen. Putin wird mit keinem Wort erwähnt. „Sicherheit in Europa kann nur Sicherheit mit und nicht gegen Russland sein.“ (S. 100) Die Linke möchte die NATO auflösen und durch ein Sicherheitssystem unter Einbeziehung von Russland ersetzen. (S. 101)
„DIE LINKE setzt sich für eine schrittweise Abrüstung der Bundeswehr ein.“ (S. 101). Wir halten fest: Keine Auslandseinsätze der Bundeswehr, keine Einsätze im Inneren und Abrüstung. Das ergibt Sinn, denn die Partei „verfolgt langfristig das Ziel eines Deutschlands und eines Europas ohne Armeen und einer Welt ohne Kriege.“ (S. 101)
„DIE LINKE wird sich nicht an einer Regierung beteiligen, die Aufrüstung und Militarisierung voran treibt, die Kriege führt oder Kampfeinsätze der Bundeswehr im Ausland zulässt.“ (S. 101) Ich fürchte, spätestens mit dieser Koalitionsbedingung ist das Oppositionsdasein der Linken gesichert.
Europa von unten
Das Kapitel über die EU beginnt mit einem bestechenden Gedanken. Viele Menschen haben gegen diverse Freihandelsabkommen oder die Griechenlandpolitik demonstriert und hatten doch das Gefühl, nichts erreichen zu können. „Wenn die Menschen eine andere Politik wollen, wird die Demokratie als Wettbewerbshindernis beiseitegeschoben. Das Ergebnis: Diese EU und dieses Projekt der europäischen Integration verlieren bei den Menschen an Vertrauen.“ (S. 102)
Nur gleich vorneweg, die Linke ist nicht gegen die EU. „Ein Scheitern der EU würde dem Nationalismus und Rassismus in Europa weiteren massiven Auftrieb geben.“ (S. 103) Sie möchte nur einen Neustart durch eine Initiative für ein Europa von unten, denn die „Verträge von Maastricht und Lissabon haben den Neoliberalismus in die Grundlagen der EU eingeschrieben“ (S. 102). Die Linke möchte EU-weite Volksbegehren und Volksentscheide ermöglichen. (S. 105) Das stelle ich mir spannend vor. Wie würde das aussehen? Das wäre doch alleine schon eine logistische Herausforderung, oder?
Frontex soll abgeschafft werden und durch eine koordinierte Seenotrettung in europäischer Verantwortung ersetzt werden. Der EU-Türkei-Deal soll aufgekündigt werden. (S. 107) Anstelle des Dublin-Systems nach dem Geflüchtete in dem Land aufgenommen werden müssen, in dem sie zuerst ankommen, soll es eine faire Verantwortungsverteilung geben. Der Ausgleich soll vor allem finanziell erfolgen, denn die Linke will „das Prinzip der freien Wahl des Mitgliedsstaates für die Geflüchteten.“ (S. 108)
Es wird auch erwähnt, dass es sichere und legale Fluchtwege geben muss, wie genau diese aussehen sollen, wird nicht gesagt. (S. 108) Einmal angekommen soll es einfacher sein, ein Bleiberecht zu erhalten und das Prinzip der Kettenduldung soll beendet werden. (S. 116) „Abschiebungen lehnen wir ab.“ (S. 117) Hier geborene Kinder sollen automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten und ein Recht auf Mehrstaatlichkeit haben. (S. 114)
Rechte und rassistische Gewalt stellt ein immer größer werdendes Problem dar. „Mit der AfD hat sich eine nationalistische und in weiten Teilen rassistische Partei etabliert, die ideologische und personelle Verbindungen zur extremen Rechten hat.“ (S. 109) Die Linke möchte ein automatisches Bleiberecht für Opfer rechter Gewalt, denn so wird der Intention der Täterinnen und Täter ein Schnippchen geschlagen. (S. 109) Eine ähnliche Regelung gibt es bereits in Berlin und Brandenburg. Neofaschistische Organisationen sollen verboten werden. „Es wird das Problem von Rassismus und extremer Rechten allein nicht lösen, steht aber für eine gesellschaftliche Ächtung und verhindert staatliche Unterstützung für die Strukturen der extremen Rechten.“ (S. 109)
Drogenkonsum soll entkriminalisiert werden, denn es ist nicht Aufgabe der Politik, die Menschen zu erziehen. „Wir wollen den Wunsch nach Rausch nicht moralisch werten; er ist ein Bestandteil der Kultur.“ (S. 120)
Kampfeslustig
Immer wieder erwähnt das Programm zivilgesellschaftliche Initiativen und Demonstrationen. Zum einen soll das sicherlich aufzeigen, dass die Partei keine Nischenpositionen vertritt, sondern bei einigen Themen durchaus beachtlichen Rückhalt in der Bevölkerung hat. Zum anderen versteht sich die Partei eindeutig als verlängerter Arm der Straße im Parlament. „Widerstand und Protest, die Gestaltung der Gesellschaft im Hier und Jetzt und die Vision einer über den Kapitalismus hinausweisenden Alternative bilden für unsere Politik ein unauflösbares Dreieck.“ (S. 128)
Das Programm steckt voller wahrhaftig radikaler Forderungen und vollbringt doch das Kunststück, nicht abgehoben oder traumtänzerisch zu wirken. Verschwurbelte Politikphrasen sind auf ein Minimum begrenzt und der Text liest sich schön kämpferisch. Wer sich bestimmte Kapitel gerne selbst anschauen möchte, wird hier fündig. Ansonsten bleibt uns an dieser Stelle nur noch die Bewertung. Die A-Note ist für Inhalt, die B-Note für Stil und die Skala geht von null (bäh) bis neun (ganz toll).
Bis dann denn,
Laura
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FRAUEN STIMMEN GEWINNEN ist ein Projekt des Autonomen Frauenzentrums Potsdam in Kooperation mit dem Frauenpolitischen Rat des Landes Brandenburg. Die Texte sind verfasst von Laura Kapp. Jennifer Hoffmann betreibt die Social Media Accounts.
Das Projekt wird finanziell gefördert durch die Brandenburgische Landeszentrale für Politische Bildung (Vielen Dank!). Anmerkungen, Ideen, Feedback, Kritik und Komplimente sind herzlich willkommen: per e-mail unter frauenstimmen@frauenzentrum-potsdam.de, auf Twitter @frauenstimmen oder auf Facebook.