Rückblick auf Frauen Stimmen Gewinnen
Wochenend und Sonnenschein und … Wahlkampf
Vor malerischer Kulisse am Hans Otto Theater in Potsdam fand die Wahlkampfveranstaltung „Frauen Stimmen Gewinnen“ vom Autonomem Frauenzentrum Potsdam (AFZ) in Kooperation mit dem Frauenpolitischen Rat des Landes Brandenburg (FPR) am 13. August 2021 statt. Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen), Dr. Saskia Ludwig (CDU), Norbert Müller (Die Linke), Linda Teuteberg (FDP) und Olaf Scholz (SPD) waren der Einladung gefolgt. Alle Parteien, deren Frauenorganisationen im FPR vertreten sind, waren also mit dabei. Beste Bedingungen für eine gelungene Veranstaltung, getragen und moderiert von Michaela Burkhard (AFZ) und Verena Letsch (FPR).
Erstaunlich, dass bei allen unterschiedlichen parteipolitischen Positionen (von gelegentlichen verbalen Seitenhieben mal abgesehen, die aber belebend wirkten) eine insgesamt angenehme und weitgehend sachliche Diskussion stattfand, keine wilde Talkshow, wie man sie oft im Fernsehen geboten bekommt. 130 Teilnehmer*innen konnten die Kandidierenden live erleben. Die Veranstaltung wurde von einem großen Medieninteresse begleitet, mit mehr als 30 Pressevertreter*innen war viel los. Fragen und Anregungen wurden vom Publikum auf Kärtchen formuliert und von Jenny Pöller bestens moderiert vorgetragen, das hat der Veranstaltung gutgetan, weil die Fragen kurz und prägnant an die Kandidat*innen kamen und direkt beantwortet wurden.
Das Publikum konnte am Einlass aus sechs Themenkomplexen zwei auswählen, die drei Themen mit den meisten Stimmen gelangten dann in die Veranstaltung und alle Kandidat*innen hatten pro Thema 100 Sekunden Zeit um ein Statement zu formulieren. Nicht so einfach, manch einer sprach zu lange und Verena Letsch bekannte: der Bundesfinanzminister lässt sich nur schwer unterbrechen, was er aber nur mit freundlichem Lächeln quittierte. Annalena Baerbock schlug daraufhin ein equal timing vor, was zu Lachern im Publikum führte, und nächstes Mal vielleicht mit einer Stoppuhr umgesetzt werden könnte.
Zu den Themen, sechs standen zur Auswahl: Parität, Equal Pay, Steuern und Renten, Gewalt gegen Frauen, Alleinerziehende und § 218/219a. Parität, Alleinerziehende und §218/219a erhielten zu wenig Punkte und schieden (zunächst) aus, wobei es das Thema §218/219a dann über eine Publikumsfrage doch ins Geschehen schaffte. Die Kandidat*innen durften die Frage: „Sind Sie für die Abschaffung der entsprechenden §§“ nur mit ja oder nein antworten. Toll! Kurz und knapp, eine klare Aussage. Sollten alle zu ihrem Wort stehen, könnte in der nächsten Legislaturperiode da Bewegung reinkommen.
Ebenso beim Thema Gewalt gegen Frauen, da waren sich fast alle Kandidat*innen einig, dass der Bund stärker in die Verantwortung gehen muss, aber die Länder nicht aus dieser zu entlassen seien. Olaf Scholz sprach von einer klaren Schutzstruktur, finanziert von Bund und Ländern, Annalena Baerbock sprach von einem Rechtsanspruch auf Schutz der Frauen vor Gewalt. Sehr eindeutig auch das Antwortverhalten auf die Frage aus dem Publikum, ob das Ehegattensplitting fallen sollte, 4mal ja (mit der Einschränkung für neue Ehen), einmal nein (CDU). Da könnte doch ab Herbst 2021 was gehen!
Mein persönliches Fazit:
Die unterschiedlichen programmatischen Ansätze sind deutlich geworden, aber in vielen Positionen waren die Anwesenden grundsätzlich gar nicht so weit voneinander entfernt, mit Ausnahme der CDU Kandidatin Dr. Saskia Ludwig, die bei manch einer Aussage ihrerseits Unwillen beim Publikum erzeugte. Eine gewisse Einigkeit bei Forderungen nach Equal Pay, Gewalt gegen Frauen und die Frage, wo stehen wir in 10 Jahren in der Geschlechterpolitik schienen mir deutlich. Nun müssen die Kandidat*innen nur noch gewählt werden und wir werden in der nächsten Legislaturperiode vielleicht überrascht sein, wie schnell und einig Positionen über Parteigrenzen hinweg gefunden werden und in gute Gesetze gegossen werden. Mich hat die Veranstaltung durchaus in meiner Meinungsbildung gestärkt, ich weiß jetzt definitiv, wem meine Stimmen gehören.
Und weil eine Veranstaltung von solch einem Format viele kluge und engagierte Menschen braucht, geht an dieser Stelle mein Dank und großer Respekt an alle, die Verantwortung dafür getragen haben und so erfolgreich waren. Das ganze Team des Hans Otto Theaters war mit dabei, mit der engagierten Intendantin an der Spitze. Danke auch an die beiden Moderatorinnen, denen es klug, spritzig, mit gutem Zeitmanagement und inhaltlich bestens vorbereitet, gelang, über zwei Stunden den Spannungsbogen aufrecht zu halten und die Potsdamer Kandidat*innen für die Bundestagswahl in Gespräch und Diskussion zu führen.
Der Frauenpolitische Rat und das Autonome Frauenzentrum Potsdam haben an Renommee gewonnen und das ist gut und wichtig und notwendig, um auf die dringenden Fragen unserer Zeit aus geschlechtergerechter Perspektive Antworten zu geben.
Text: Heidrun Szczepanski, Fördermitglied des FPR
Fotos: Simone Ahrend, sah@sah-photo.de