„Verbale Aufgeschlossenheit bei gleichzeitiger Verhaltensstarre“ Dr. Gisela Notz bei der #bfw18
Vortrag von Dr. Gisela Notz: „Arbeit ist das halbe Leben! – Und was ist das ganze Leben?“
Im Rahmen der diesjährigen brandenburgischen Frauenwoche luden das Gleichstellungsbüro der Fachhochschule und das Koordinationsbüro für Chancengleichheit der Universität Potsdam (zusammen: Gleichstellungskooperative) die renommierte Sozialwissenschaftlerin und Historikerin Dr. Gisela Notz am Montag in das Café Haus2 ein.
Im Grußwort der Gleichstellungsbeauftragten der Fachhochschule Potsdam, Sandra Cartes, klingt bereits an, was Dr. Gisela Notz thematisch vertiefen wird: die (Un)vereinbarkeit von Familie und Karriere bzw. Lohnarbeit. Denn auch an Hochschulen, als Arbeitgeberinnen wird dieses wichtige Thema tabuisiert und Kritik an bestehenden Vereinbarkeitskonzepten ignoriert.
Doch ist es zuerst wichtig den Begriff von Arbeit zu betrachten, der die heutige Gesellschaft prägt. Arbeit würde, nach Dr. Gisela Notz, breit als Lohnarbeit begriffen werden, die unbezahlte Arbeit in Haushalt, Kindererziehung oder Angehörigenpflege werde im kapitalistischen Wirtschaften ignoriert, obwohl diese erst die Basis dafür schaffe. Für eine emanzipatorische Praxis, die bestehende Verhältnisse verändert, braucht es also den erweiterten Arbeitsbegriff, der nicht nur entlohnte Arbeit als Arbeit begreift, sondern auch reproduktive Tätigkeiten.
Auch bräuchte es zusätzlich einen veränderten Wirtschaftsbegriff, doch dieser ist noch immer stark von überkommenen Geschlechterrollen geprägt: Marktaktivitäten sind Männerarbeit, Haushaltsaktivitäten sind Frauenarbeit. Auf postmoderne Arbeitsverhältnisse lässt sich diese Aufteilung nicht mehr anwenden. Auch kosmetische Korrekturen, wie Betreuungsgeld oder Haushaltsgeld, helfen da laut Notz nicht weiter, denn sie würden die reproduktive Arbeit an sich nicht aufwerten. Damit sind Frauen noch immer qualitative Verliererinnen mit Teilzeitjobs, 22% Lohnlücke und prekären Beschäftigungsverhältnissen. Jede Arbeitszeit-Studie zeigt, dass die meisten Männer weniger arbeiten und in gleichberechtigten Beziehungen leben wollen. Das bezeichnet sie als „verbale Aufgeschlossenheit bei gleichzeitiger Verhaltensstarre“, da sich die Vorstellungen zwar ändern mögen, an der Verteilung von Arbeit und Zeit ändert sich allerdings bisher nur wenig. (siehe auch folgende Langzeitstudie: Notz, Gisela: Du bist als Frau um einiges mehr gebunden als der Mann. Die Auswirkungen der Geburt des ersten Kindes auf die Lebens- und Arbeitsplanung von Müttern und Vätern, Bonn 1991.)
Außerdem zeigt Dr. Gisela Notz auf, wie eng diese Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen mit tradierten Familienmodellen verknüpft sind. Arbeit und Kleinfamilie würden in ihrer Vereinbarkeit politisch gefördert, aber andere Zusammenlebensformen hätten es dagegen sehr schwer. Noch immer läge in Deutschland die familistische Vision des Vollzeitbeschäftigungsmodells (meistens für den Mann) vor.
Sie schließt mit der konkreten politischen Forderung für die Gleichheit aller Lebensmodelle und der Erkenntnis: „Solange es keine tatsächliche Umverteilung von Macht, Ressourcen und Wertschöpfung gibt, wird es auch kein Ende von Ungerechtigkeit und Diskriminierung geben.“
Und damit hat sie recht.
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Weitere Veranstaltungen der Gleichstellungskooperative zur 28. Brandenburgischen Frauenwoche finden sie hier.
Text: Laura Schleusener | Fotos: Simone Ahrend