Endlich Verstärkung!
Es gibt 17 Frauenhäuser, fünf Schutzwohnungen und zwei Frauenberatungsstellen im Land Brandenburg. Ein Zusammenschluss dieser Einrichtungen existiert seit 1995. Bärbel Heide Uhl, Julia Daldrop und Lydia Sandrock berichten hier von der 2017 geschaffenen Koordinierungsstelle, die die Arbeit des Netzwerkes der brandenburgischen Frauenhäuser hauptamtlich unterstützen.
„Wenn man von innerer Sicherheit redet“, sagt Bärbel Heide Uhl, „denken alle an Terror, aber niemand denkt an häusliche Gewalt, obwohl da ja eigentlich die innere Sicherheit beginnt“. Die promovierte Politikwissenschaftlerin, die bereits für die OSZE und die EU gearbeitet hat, sieht häusliche Gewalt als Seismograf für die innere Verfasstheit einer Gesellschaft an.
Dieses Thema in der politischen Diskussion noch stärker als bisher zu verankern, sieht die 47-Jährige als wichtigen Teil ihrer Arbeit in der Anti-Gewalt-Koordinierungsstelle an. Die seit Ende 2016 im gleichen Haus Tür an Tür mit dem Frauenpolitischen Rat sitzt. Momentan ist sie vor allem und gemeinsam mit ihren Kolleginnen Lydia Sandrock und Julia Daldrop dabei, das Netzwerk der brandenburgischen Frauenhäuser intern zu stärken.
Häusliche Gewalt als Seismograf für die innere Verfasstheit einer Gesellschaft
Julia Daldrops Aufgabe ist es, die Zugänge von gewaltbetroffenen Mädchen und Frauen mit Behinderung zum Hilfesystem zu verbessern. Daldrop, die ursprünglich Lehramt studierte und in dieser Zeit schon im Frauenreferat der Uni arbeitete, hat dafür u. a. einen Fragebogen erstellt und Frauenhäuser im ganzen Land besucht. Bei ihrer Bestandsaufnahme geht es darum festzustellen, inwieweit Barrierefreiheit bereits hergestellt ist bzw. wo sie verbessert werden kann.
Sie habe dabei „offene Türen eingerannt“, sagt die 28-jährige Daldrop, weil die Problematik der Gewaltbetroffenheit von Frauen mit Behinderungen seit dem Erscheinen einer BMFSFJ-Studie mit dem Titel „Lebenssituation und Belastungen von Frauen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen in Deutschland“ (2013) im Hilfesystem ein Thema ist. Davor gab es lange Zeit keine Wahrnehmung dafür.
Frauen mit Behinderungen erfahren öfter sexualisierte Gewalt als Frauen ohne Behinderungen
Und weil Frauen mit Behinderungen zwei- bis dreimal häufiger sexualisierte Gewalt als Frauen ohne Behinderungen erfahren, sei es wichtig, Fachkräfte aus dem Gewaltschutzbereich und solche aus der Behindertenhilfe zusammenzubringen. Dafür ist am 28. November 2017 eine landesweite Tagung in Potsdam geplant. Damit diese nicht der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein bleibt, setzt sich der Vorstand des Netzwerkes der brandenburgischen Frauenhäuser dafür ein, dass das Projekt von Julia Daldrop verlängert wird.
Bärbel Heide Uhl erwähnt in diesem Zusammenhang auch die Ratifizierung der „Istanbul-Konvention“ durch Deutschland am 1. Juni diesen Jahres. Diese Ratifizierung schaffe neue Möglichkeiten, auch für die finanzielle Ausstattung der Frauenhäuser und -beratungsstellen, die auch im Land Brandenburg chronisch unterfinanziert sind.
Hauptamtliche Strukturen im Frauenhaus- bereich stärken
Der Flickenteppich der Finanzierung der Frauenhäuser lässt zum Beispiel nicht zu, dass (traumatisierte) Kinder von gewaltbetroffenen Frauen extra betreut werden, dass es für geflüchtete Frauen die benötigten Dolmetschungsleistungen gibt oder dass Schulungen zum Datenschutz im digitalen Zeitalter für Fachkräfte und betroffene Frauen vor Ort angeboten werden können.
Bärbel Heide Uhl, die lange in Osteuropa gelebt und unter noch schwierigeren Bedingungen gearbeitet hat, will sich dafür starkmachen, dass gerade im Frauenhausbereich ausreichende hauptamtliche Strukturen geschaffen werden, damit eine hohe Qualität der Beratung und Betreuung gewährleistet werden kann. Denn schließlich geht es um die innere Sicherheit Brandenburgs.
Text: Astrid Priebs-Tröger
Foto: Anne Heinlein
*Von 1996 bis 2003 gab es bereits eine Koordinierungsstelle, die im Zuge von Haushaltskürzungen gestrichen wurde. Die Arbeit wurde danach von den Mitgliedern des Netzwerkes ehrenamtlich erledigt.
Das Netzwerk der brandenburgischen Frauenhäuser e.V. ist ein Zusammenschluss von Frauenhäusern und Frauennotwohnungen im Land Brandenburg. Der Verein hat sich im März 1995 gegründet und ist seit 1997 Mitglied im Frauenpolitischen Rat. Sein Anliegen ist eine Vernetzung und Zusammenarbeit der Frauenhäuser und Zufluchtswohnungen sowohl im Land Brandenburg als auch auf Bundesebene. Die politischen Grundsätze des Netzwerkes basieren auf frauenspezifischem und antirassistischem Denken und Handeln, ohne parteipolitische Bindung.