Nachhaltigkeit ist ein Privileg. Eine feministische Perspektive auf die Klimakrise
Anlässlich der 31. Brandenburgischen Frauenwoche 2021 bot die Villa Fohrde innerhalb ihrer online-Veranstaltungsreihe „Impulse und Inspirationen für Wandel“ eine Veranstaltung mit Input und Diskussion zum Thema „Feministische Perspektiven auf die Klimakrise“.
Sind angesichts der Klimakrise alle gleich? Eigentlich müsste das ja annehmbar sein, da Hitze, das Erschöpfen von Ressourcen und Naturkatastrophen uns allen schaden. Doch die Folgen der Umweltzerstörung treffen bislang vor allem den Globalen Süden und besonders Frauen.
In den Industrienationen werden die meisten Ressourcen verbraucht und die meisten Emissionen verursacht, dennoch werden durch die Folgen dieser Lebensweise vor allem die Lebensgrundlagen der Menschen im Süden der Erde zerstört. Dürren und Missernten schaden besonders dem ärmeren Teil der Weltbevölkerung.
Frauen gehört weniger Land, das bedeutet, dass sie selten auf Besitz zurückgreifen können, um ihre Lebensgrundlage zu sichern. In Indien arbeiten 75% der Frauen in der Landwirtschaft, aber weniger als 13% der landwirtschaftlichen Fläche gehört den Frauen selbst. Weltweit sind 1,6 Milliarden (!) Frauen in der Landwirtschaft tätig oder arbeiten in verarbeitenden Industrien, die für die Industrienationen produzieren. Werden die Erträge von Ernten durch den Klimawandel zerstört, fehlt diesen Frauen jegliche Lebensgrundlage. Frauen leisten zugleich den Hauptanteil der Sorgearbeit, was auch die Beschaffung von Lebensmitteln bedeutet. Diese werden aber durch die Klimakrise und die wirtschaftliche Dominanz von Unternehmen immer teurer. Ein Teufelskreis entsteht.
Doch schauen wir auch vor unsere Haustür. Wir haben in Filterblasen des Globalen Nordens oft den Anspruch besonders nachhaltig zu leben, um es eben nicht so weit kommen zu lassen, dass wir die Erderwärmung nicht mehr stoppen könnten. Lobenswert, ohne Frage, aber kann das wirklich jede*r und wenn ja, wieviel hilft es wirklich angesichts der schon jetzt drastischen Auswirkungen der Klimakrise auf die Lebensumstände von Menschen im Globalen Süden?
Das Motto der Frauenwoche ist dieses Jahr „Superheldinnen am Limit“. Eine grüne Superheldin lebt vermutlich super nachhaltig – fährt nur mit Rad oder ÖPNV, kauft ohne Plastik ein, nutzt nur Bio- und fair gehandelte Produkte und upcycelt was sie kann. Das ist super, wenn sie das schafft, ohne Frage, denn natürlich hat jedes individuelle Handeln einen Impact. Aber es ist kein individuelles Problem, um das es hier geht und sollte deshalb auch nicht zu Lasten der Einzelnen gelegt werden. Denn es kann eine Last sein, als Supermama, Super(mit)arbeiterin und Super*** auch noch super ökologisch zu leben – zumindest in der Welt wie sie jetzt ist. Die Klimakrise ist ein strukturelles Problem und braucht daher auch gesamtgesellschaftliche und politische Lösungsansätze.
Sollte einer Pflegerin vorgeworfen werden, dass sie das Auto nimmt, um nach der Schicht in den Supermarkt zu fahren, weil der nicht nur wenige Meter neben der Arbeit liegt und neben der Kita, wo sie auch noch hin muss? Kann man einer Alleinerziehenden mit geringem Einkommen vorwerfen, wenn sie nicht (nur) im Bioladen einkauft? Wollen wir diese Last als einen weiteren Anspruch mehrheitlich auf Frauen legen? Nein, wir finden, es handelt sich um ein gesamtgesellschaftliches Problem, das auch nur auf dieser Ebene zu lösen ist. Wir wollen, dass es so guten und kostenlosen ÖPNV gibt, dass sich die Frage nach dem Verkehrsmittel nicht mehr stellt. Wir wollen gute Radwege, subventionierte, nachhaltig produzierte Lebensmittel und gerechtere Verteilung von Care-Arbeit, denn nur so kann die Last der Klimakrise fair verteilt werden. Die Kämpfe um Gleichberechtigung und Klimagerechtigkeit können nicht alleine gewonnen werden, wir müssen sie gemeinsam führen.
Annika Sutter arbeitet als Bildungsreferentin für das Bildungs- und Kulturhaus Villa Fohrde e.V. und organisierte die Veranstaltung gemeinsam mit Susanne Albani. Claudia Sprengel war Sprecherin des Frauenpolitischen Rates und ist Kommunalpolitikerin in Brandenburg an der Havel.
Text und Bild: Annika Sutter und Claudia Sprengel