Gleiche Rechte und Chancen? Gleichstellungspolitische Konsequenzen der brandenburgischen Landtagswahlen 2024

Posted by on Sep 26, 2024 in Allgemein

Am 22. September 2024 fanden die Landtagswahlen in Brandenburg statt. Die guten Nachrichten: Mit 72,9% erreichte die Wahlbeteiligung ein historisches Hoch. Weniger gut: Aus gleichstellungspolitischer Perspektive sind die Wahlergebnisse ernüchternd. Für Frauen, queere Menschen und marginalisierte Gruppen gibt es keinen Grund zu feiern.

Als Frauenpolitischer Rat setzen wir uns dafür ein, dass vielfältige Perspektiven in Entscheidungsprozessen vertreten sind. Dazu gehören auch die Perspektiven von Frauen, queeren Menschen, Menschen mit Migrations- und Rassismuserfahrungen, junge Menschen oder Menschen mit Behinderung. Nach aktuellen Informationen wird der nächste Brandenburger Landtag wenig divers aufgestellt sein.

 

Welche Konsequenzen bringt das Wahlergebnis gleichstellungspolitisch mit sich?


Schwindender Frauenanteil

Zum einen sind nur 26 von 88 Sitzen im neuen Parlament von Frauen besetzt. In der letzten Legislatur waren es noch 32 von 88. Damit hat sich der Frauenanteil von 36 % auf 29,5 % verschlechtert. Weniger Frauen saßen nur im ersten Kabinett ab 1990.

Der drastische Rückgang des Frauenanteils ist ein starker Rückschlag für die Gleichberechtigung und die Demokratie. Die geringe Anzahl von Frauen im kommenden Parlament macht es dringend notwendig, der Minister*innen- und Staatssekretär*innenposten in der zukünftigen Landesregierung paritätisch zu besetzen sowie Parität bei der künftigen Besetzung von Gremien sicherzustellen.

Schwindende Parteienvielfalt

Die LINKE und die Grünen haben den Wiedereinzug in den Landtag verpasst. Damit verliert der Brandenburger Landtag den Einfluss von zwei Parteien, die Frauenrechte, Gleichberechtigung und Rechte von queeren Menschen aktiv vorangetrieben haben.

Wir wünschen den außerparlamentarischen Oppositionskräften viel Durchhaltevermögen für die nächsten fünf Jahre.

Die AfD und das BSW

Zudem hat die AfD eine Sperrminorität erlangt. Diese Zweidrittelmehrheitenregelung soll als Schutz dienen, um autoritär-populistische Regierungsparteien am Durchregieren zu hindern und politische Kompromisse zu fördern. Doch nun kann dieser Mechanismus von der AfD für Blockaden missbraucht werden. Denn die AfD ist laut Verfassungsschutz ein rechtsextremistischer Verdachtsfall, die AfD-Jugend gilt als gesichert rechtsextremistisch. Mehrere AfD-Abgeordnete im brandenburgischen Landtag werden vom Verfassungsschutz beobachtet. Während der Wahlparty wurden menschenverachtende Texte gesungen. Gleichzeitig ist die AfD frauenfeindlich, anti-feministisch und queer-feindlich. Dies geht aus deren Veröffentlichungen, wie dem Regierungsprogramm, sowie ihren Anfragen und Redebeiträgen in Ausschüssen deutlich hervor. So nutzt sie rassistische Narrative, um Gewalt an Frauen und fehlenden Schutz zu erklären. Dies ist zum einen eine gefährliche Pauschalisierung von Menschen mit Migrationsbiografie und zum anderen wird Gewalt und Sexismus durch weiße „Deutsche“ negiert, wodurch viele Straftaten relativiert oder unsichtbar gemacht werden. Es ist wichtig aufzuzeigen, dass fehlende Gleichstellung eine Ursache von Gewalt ist und Gewalt ein Werkzeug, um bestehende Machtverhältnisse aufrechtzuerhalten. Die AfD behauptet jedoch, dass Gleichstellung kein Gewaltschutz sei.

Das BSW ist mit 13,5% in den Landtag eingezogen. Die Partei hatte sich erst zu Jahresbeginn gegründet, der Landesverband existiert noch keine sechs Monate – und es ist auch im Wahlkampf unklar geblieben, wofür die Partei steht. In ihrem Wahlprogramm zu den Landtagswahlen in Brandenburg fordert das BSW ein Genderverbot in Schulen. Weiterhin fand Correctiv heraus, dass mehrere ehemalige AfD-Mitglieder nun die Nähe zum BSW suchen. Trotzdem sprechen sie sich für eine Schließung des Gender-Pay-Gap und mehr Frauenhäuserplätze aus.

 

Unser Fazit zu den Landtagswahlen:

Die Herausforderungen sind groß, aber wir setzen uns weiter für gleiche Rechte und Chancen ein. Jetzt erst recht!

Die politischen Mehrheiten im neu gewählten Brandenburger Landtag entsprechen nicht unseren Vorstellungen von demokratischen, progressiven Mehrheiten für ein zukunftsgerichtetes und geschlechtergerechtes Brandenburg. Die Zustimmung zu rechtsextrem gesinnten Abgeordneten im Landtag muss uns allen Sorgen bereiten.

Es ist wichtig, dass Brandenburg gezeigt hat, dass die demokratischen Kräfte hier noch immer stärker sind. Es gilt den fairen demokratischen Wettbewerb zu fördern und gemeinsam gegen rechtsextreme Tendenzen vorzugehen.

Wir befürchten, dass die Themen wie die Umsetzung der Istanbul-Konvention, Finanzierung der Frauenhäuser, Finanzierung der Familien- Frauen- und queeren Verbände, eine geschlechtergerechte Verteilung der Haushaltsgelder, Frauengesundheit, Mädchenarbeit und die Stärkung von Gleichstellungs- und Demokratieprojekten in ländlich geprägten Regionen zu kurz kommen wird.

Wir werden uns aber weiter dafür stark machen. Jetzt erst recht! Denn, wenn die Interessen von Frauen im Parlament nicht ausreichend vertreten werden, ist dies eine Herausforderung für die Zivilgesellschaft, umso lauter für Gleichberechtigung und Feminismus einzutreten.

 

Pressemitteilung zur Landtagswahl