(Kinder-)Armut ist weiblich

Posted by on Nov. 11, 2015 in Allgemein

Kinderarmut ist ein Skandal. Kinderarmut ist aber auch ein Thema, welches sich skandalisieren lässt. Denn während den Jüngsten die Chance auf ein gelingendes Leben verbaut wird, wird übersehen, dass Kinder nur in Not geraten und Benachteiligungen erfahren, weil die für sie verantwortlichen Erwachsenen ein Armutsproblem haben.

Es sind ihre Mütter und Väter, die in der Armutsfalle sitzen. Bei Alleinerziehenden ist das Armutsrisiko besonders hoch: 43 % von ihnen beziehen Hartz IV. Neun von zehn Alleinerziehenden sind Frauen. Es geht insgesamt um etwa 2,2 Millionen Frauen!

Trotz vergleichbar guter Betreuungsmöglichkeiten und Unterstützungsleistungen für die bessere Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Familienleben, sollten Frauen gewarnt sein: Kinder sind für (alleinerziehende) Frauen das größte Armutsrisiko.

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Statistisch wird dabei von Ein-Eltern-Haushalten gesprochen. Das klingt sachlicher. Nicht schon wieder die Frauen. Für Familien ab drei Kindern wird’s auch schnell prekär, erst Recht mit Migrationshintergrund. Das Risiko konzentriert sich auf kinderreiche Familien (Paarhaushalte mit drei und mehr Kindern; 16,1 %) und vor allem auf Alleinerziehende (39,7 %).

Armut ist politisch hausgemacht. Nur den Blick auf Kinder zu richten, ist sicher nicht falsch, aber nur oberflächliche Symptombekämpfung. Statt „Runder Tische gegen Kinderarmut“ wird vielmehr ein ganzes Maßnahmenbündel zur Armutsbekämpfung gebraucht.

Neben einer deutlichen Erhöhung der Hartz IV -Regelsätze sind insbesondere Reformen des Familienlastenausgleichs und der Altersgrundsicherung erforderlich, um Armut wirksam vorzubeugen. Voraussetzung dazu ist ein rigoroser steuerpolitischer Kurswechsel, der große Vermögen und Einkommen stärker als bisher zur Finanzierung des Sozialstaats heranzieht.

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Doch damit ginge es ans Eingemachte. Denn der Blick hinter die „familienfreundlichen“ Kulissen offenbart, dass Armut und Verteilungs(un)gerechtigkeit zusammengehören, und dass Frauen seit Generationen strukturell das Nachsehen haben.

So lange Armut aber auch die Funktion hat, das Ungleichgewicht von Machtverteilung, von Teilhabemöglichkeiten und Verwirklichungschancen zwischen Männern und Frauen aufrecht zu erhalten, reden wir über Kinderarmut, ohne zu bemerken, dass es sich dabei auch um Mädchen und Jungen handelt.

Zumindest ist dies selbst den betroffenen Frauen und Müttern lieber, als gegen (ihre) Kinder ausgespielt zu werden.

Text: Ulrike Häfner
Fotos: Simone Ahrend, sah-photo