„Frauen von heute warten nicht auf das Wunderbare. Sie inszenieren ihre Wunder selbst!“
Ein ansprechendes Motto für die Brandenburgische Frauenwoche zu finden ist nicht einfach, das weiß ich aus meiner 25 jährigen Praxis als (ehemalige) kommunale Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Oranienburg. Für dieses Jahr scheint es mir erneut gelungen, mich hat es sofort angesprochen. Ich habe 1993 in der Stadt Oranienburg als GBA quasi bei Null angefangen: Tisch und Stuhl, ein leerer Schrank und ein Telefon, viel guter Wille und eine grobe Ahnung waren da, was mit der Aufgabe verbunden sein könnte. Mein erster Arbeitstag in der Stadtverwaltung begann damit, dass mich eine nette Kollegin gefühlt allen Kolleg*innen des Hauses mit den Worten vorstellte: das ist unsere Gleichstellungsbeauftragte. Reaktionen: aha, soso, hm, was machen Sie da so? (Das wusste ich ja selber nicht so genau, für Frauen und Männer halt die Gleichstellung durchsetzen).
Gleichstellungsbeauftragte gab es in der DDR nicht – warum auch?
Bereits in der Verfassung 1949 wurde der gesetzliche Anspruch der Gleichberechtigung von Frauen und Männern formuliert. Die allgemeine Meinung und persönlich erlebte und empfundene Praxis war, dass in der DDR die Gleichberechtigung von Frauen und Männern bereits erreicht war. Frauen erlernten einen Beruf oder gingen zum Studium und es war klar: darauf folgte ein Arbeitsplatz. Arbeitslosigkeit kannten wir nicht, von häuslicher Gewalt hatte ich noch nichts gehört, in meinem Uniabschlusszeugnis steht „Diplomlehrer“ und es hat mich nicht gestört.
Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie für Frauen wurde staatlicherseits gewährt – da lag der Hase im Pfeffer – für die Frauen. Bestenfalls halfen Männer im Haushalt mit. Das aber ist eine Erkenntnis, die mir, wie vieles andere, erst später aufgehen sollte. Zurück in mein Büro. Die Aufgaben, Rechte und Pflichten, die mit meiner Tätigkeit verbunden waren, habe ich mir Schritt für Schritt selbst erarbeiten müssen, es gab kein Lehrbuch, kein Internet, wo ich mal schnell googeln konnte, es gab noch nicht mal einen Computer für mich. Aber wie auf so vielen Gebieten entwickelte sich im Osten auch die Gleichstellungsarbeit in den nächsten Jahren, es entstanden Gesetze, Kontakte und Gremien auf regionaler, Landes- und Bundesebene.
Ich bin mit dem Credo angetreten: Gleichstellung von Frauen und Männern erreichen wir nur im Miteinander. Und das gilt mehr denn je.
Persönliche Begegnungen während einer Reha in Oberstdorf/Bayern (40 Frauen, davon 2 aus dem Osten) haben meine Arbeit schon sehr früh und eindrucksvoll geprägt: wir Frauen sind so vielfältig und unterschiedlich wie es das Leben in Ost und West auch ist. Jede muss das Recht und die Möglichkeit haben, so zu leben wie sie es will. Später erst lernte ich den Begriff kennen, der das abbildet: Diversity!
Den Begriff des Feminismus kannte ich zunächst auch nicht. In der Annäherung und Auseinandersetzung begriff ich aber, dass ich frauenpolitisch denke und handle und im Herzen schon länger Feministin war, ohne es so zu benennen.
Von 30 Jahren Frauenpolitik in Brandenburg habe ich 25 Jahre im Beruf erlebt und aktiv mitgestaltet, als Fördermitglied des FPR bin ich gefühlt noch mittendrin und 2018 habe ich die Zukunft in Sachen Gleichstellung an meine Nachfolgerin abgegeben. Es ist für mich sehr wertvoll zu wissen, dass sie nahtlos an das anknüpfen konnte, was ich in 25 Jahren aufgebaut habe und sie mit neuen Ideen aber auch andere Akzente setzt. Sie gehört der jüngeren Generation Frauen an, die in Sachen Gleichstellung besser/anders aufgestellt ist, weil sie ein hohes Fachwissen in einem Studium erwerben konnte und darauf aufbauen kann, was Generationen vor ihnen geschaffen haben. Das heißt nicht unbedingt, dass sie es leichter haben.
Gepaart mit politischem Engagement, Kreativität und einem gesunden Maß an Forschheit und Ungeduld sollte es uns Frauen gelingen die aktuellen Themen anzugehen.
Frauen von heute warten nicht auf das Wunderbare. Sie inszenieren ihre Wunder selbst!
(Katharine Hepburn)
Wir dürfen nicht nachlassen, weil Erkämpftes auch schnell verloren gehen kann. Und weil ich viele engagierte und tolle Frauen, junge und ältere rund um den FPR kenne, mit denen man denken, diskutieren, gestalten, netzwerken und kämpfen kann, ist mir um die Zukunft der Frauen- und Gleichstellungsarbeit nicht bange.
Das alles im Sinne des Mottos: „Zurück in die Zukunft“.
Text: Heidrun Szczepanski
Dieser Beitrag erscheint in der Reihe „Zurück in die Zukunft“ anlässlich zur 30. Brandenburgischen Frauenwoche 2020. Die letzten 30 Jahre sind geprägt von Wendepunkten in den Biografien aller Brandenburgerinnen. Mit dem Motto wollen wir nicht nur erinnern – mit unseren Erfahrungen richten wir den Fokus in die Zukunft: Wie soll die Gesellschaft aussehen, in der wir leben wollen? Wöchentlich erscheint ein Beitrag, wenn auch Du oder Sie was schreiben wollen, freuen wir uns über Zusendungen!