Fachtag „Gewaltschutz für Mädchen und Frauen mit Behinderungen“
Vorgestern fand in Potsdam der Fachtag „Gewaltschutz für Mädchen und Frauen mit Behinderungen: Perspektiven und Strategien für das Land Brandenburg“ statt. Im Nachgang des Internationalen Tags gegen Gewalt an Frauen legte das veranstaltende Netzwerk der brandenburgischen Frauenhäuser den Fokus damit auf eine Gruppe Frauen, die besonders häufig von Gewalt in betroffen ist. Die gängigen Hilfs- und Unterstützungsangebote erreichen allerdings Frauen und Mädchen mit Behinderungen oft nicht, da diese Angebote nicht barrierefrei gestaltet sind.
In der Reihe „Wir kümmern uns – für eine Care Revolution in Brandenburg“ veröffentlichen wir jeden Donnerstag einen Beitrag, der sich um Sorgearbeit dreht. Sorgearbeit bezeichnet die Arbeit mit Menschen, für die es meist weniger Aufmerksamkeit, Anerkennung und auch Entlohnung gibt. Die Probleme im weiten Bereich Care-Arbeit sind unterschiedlich, deshalb machen wir auf verschiedene Themen aufmerksam.
„Viele Frauen mit Behinderungen sind besonders gefährdet, Gewalt zu erfahren, da ihr Leben, abhängig von den umgebenden Barrieren, in vielen Bereichen noch fremdbestimmt ist.“, erklärte Prof. Sabine Fries, Deaf Studies, der Hochschule Landshut.
Wichtig ist deshalb zunächst, zusammen mit den Betroffenen niedrigschwellige Angebote zu entwickeln. Barrierefreiheit meint dabei nicht nur Rampen für Rollstühle aufzustellen, sondern z.B. auch die grundsätzliche Zugänglichkeit von Informationen und barrierefreie Kommunikations-möglichkeiten. Was nützt z.B. die Telefonnummer vom Hilftetelefon einer gehörlosen Frau, die nicht telefonieren kann?
Ein weiterer wichtiger Punkt in der Diskussion war die Rolle von Einrichtungen, in denen behinderte Frauen und Mädchen leben und arbeiten. Hier wurde aus der Praxis der Frauenberatungsstellen berichtet, dass das Personal dieser Einrichtungen oft überlastet ist und keine Kapazitäten hat, um Frauen bei Gewaltvorfällen in Beratungsstellen zu bringen bzw. zu begleiten. Auf der anderen Seite berichten allerdings auch die Frauenhäuser und Beratungsstellen von einer permanenten Auslastung, die es schwierig macht, gesonderte Angebote für behinderte Frauen bereitzustellen. Eine Möglichkeit wäre hier z.B. aufsuchende Beratung anzubieten, bei der Beraterinnen in die Einrichtungen kommen und dort vor Ort Beratungen anbieten.
Der Großteil aller behinderten Frauen und Mädchen im Land Brandenburg lebt nicht in Einrichtungen, sondern im häuslichen Umfeld. Dort ist es ebenfalls zentral, dass Betreuungs- und Pflegepersonen, sowie Angehörige, über Informationen zum Thema Gewaltschutz verfügen. Auch pflegende Angehörige brauchen Fortbildungsmöglichkeiten über die Themen Gewalt und Pflege.
Als positives Beispiel stellte eine Mitarbeiterin des Bundesverbands Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe (bff) das Modellprojekt „Suse – sicher und selbstbestimmt. Frauen und Mädchen mit Behinderung stärken“ vor. Das Projekt hatte das Ziel, regionale inklusive Hilfs- und Unterstützungssysteme zu vernetzen und wurde in fünf Modellregionen aus vier Bundesländern (Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Hessen, NRW) durchgeführt. Ein Ergebnis dieses Projekts ist die Homepage „Superheldin gegen Gewalt“, auf der in verschiedenen Sprachen u.A. ein tolles Video über Beratungs- und Unterstützungsangebote bei Gewalterfahrungen informiert.
Die Tagung konnte viele wichtige Impulse setzen, um den Gewaltschutz in Brandenburg für Frauen und Mädchen mit Behinderungen zu verbessern. Wichtig ist nun, dass diese Thematik in viele Bereiche getragen wird und Unterstützungsangebote verbessert und entwickelt werden. In einer gerechten Gesellschaft steht der Mensch im Zentrum, dafür wollen wir SORGEN.
Pressemitteilung des Netzwerks der brandenburgischen Frauenhäuser e.V. (NbF)
Text: Sarah Stöckigt, Referentin für Koordination, Organisation und Finanzen
Foto: Bärbel Uhl, Referentin für Vernetzung in der Koordinierungsstelle des Netzwerks der brandenburgischen Frauenhäuser e.V. (NbF)