Erkundungstour „Frauen in Wirtschaft und Politik“, Frauenwoche in Cottbus

Posted by on Mrz 13, 2017 in Allgemein

Am 10. März 2017 machte ich erstmalig im Rahmen der Frauenwoche in Cottbus eine Erkundungstour mit. Die Landtagsabgeordnete der Cottbuser SPD hatte zu einer Busfahrt durch Brandenburg eingeladen. Es war bereits die achte, die die Frauen und auch uns zwei mitreisende „Quoten-Männer“ (O-Ton der Gleichstellungsbeauftragten von Cottbus) begeisterte. Es ging nach Lauchhammer-Ost in die alte Kunstgießerei, die es seit 1725 gibt. Natürlich war ich da als Mann sehr dran interessiert.

Auf der Hintour machten wir einen schmackhaften Abstecher in Senftenbergs Manufaktur „Scharfes Gelb“. Hier lernten wir zwei findige Unternehmer kennen, die 2010 die Idee hatten, aus Omas Eierlikör, den sie sehr gern tranken, mehr zu machen und Anderen auch dieses „scharfe Gelb“ zu kredenzen. Der in Senftenberg tätige Versicherungsagent und Unternehmer Heiko Tänzer und der im selben Ort als Bäcker tätige Danilo Trasper machten sich an die Arbeit, kreierten aus Omas alten Eierlikörrezepten neue, sehr schmackhafte, Liköre und füllten diese per Hand nach der Backschicht in der Bäckerei ab. Anfangs sollten es 1000 Flaschen im Jahr werden. Nach der Investition einer Abfüllmaschine konnten sie die Produktion enorm steigern. Heute werden die Liköre weltweit vermarktet und getrunken. Das Unternehmen wuchs um weitere fünf Mitarbeitende und plant als nächste große Investition den Bau eines Cafés mit 80 Plätzen am Senftenberger See.

Die Weiterfahrt führte uns dann nach Lauchhammer-West zu einem FrauenOrt. „Was das wohl ist?“, dachte ich. Die Cottbuser Gleichstellungsbeauftragte Sabine Hiekel klärte unsere Reisegruppe dann auf. Sie erläuterte was ein FrauenOrt ist und wem dieser Ort gewidmet war.

So erfuhren wir, dass eine Frau die Eisenhütte in Lauchhammer gründete hatte. Benedicta Margaretha Freifrau von Löwendahl, Ehefrau von Ulrich Friedrich Woldemar Freiherr von Löwendahl – Oberhofmarschall und Oberbergratsdirektor am Hof August des Starken – bewies 1723 im Alter von 40 Jahren unternehmerischen Mut und ist eigentlich eine Pionierin ihrer Zeit. Sie hatte 1718 das Rittergut Mückenberg erworben, über das sie, weil es ihr rechtmäßiger Besitz war, frei verfügen konnte. Da die Gegend um das Rittergut sehr sumpfig war, wollte die Freifrau die reichen Kieferbestände, die es dort gab, für einen Holzhandel nutzen und eine Brett- und Schneidemühle bauen lassen. Bei Grabungen zu dieser Mühle wurde Erz-Raseneisenstein entdeckt, der zu 45 Prozent Eisen enthielt und damit eine besonders gute Güte hatte. Ihr kundiger Mann riet ihr, statt der geplanten Brettmühle ein Eisenhammerwerk anzulegen. Das Ehepaar muss sich wohl gut verstanden haben, denn die Freifrau griff seinen Vorschlag prompt auf. Dazu mussten dann zuerst das versumpfte Terrain trocken gelegt, die Wasserzufuhr für das künftige Hammerwerk und der Standort für einen Hochofen geklärt werden. Der Oberbergratsdirektor und Oberhofmarschall Woldemar schien da seine Ehefrau sehr unterstützt und in ihren Entscheidungen bestärkt zu haben. Zwei Jahre später, am 17. Juli 1725, hielt Benedicta Margaretha die Urkunde „Privilegium über das Hammerwerk zu Mückenberg“ von August dem Starken in den Händen und hatte damit die Genehmigung zur Anlage eines Hochofens- und Hüttensystems erworben. Am 25. August 1725 wurde der Hochofen erstmalig angeblasen und das Unternehmen startete in eine sehr lange und äußerst erfolgreiche Zukunft. Die Freifrau führte ihr Eisengussunternehmen 51 Jahre lang selbst. Lauch(=Sumpf)hammer verdankt dieser für ihre Zeit sehr mutigen und offensichtlich sehr selbstbewussten Frau sehr viel. Denn damit kam nicht nur Arbeit in den Ort. Die Bevölkerung wuchs und die Freifrau ließ auch Betriebswohnungen für die Arbeiter bauen, förderte die Schulbildung der Kinder und baute ein intaktes System der betrieblichen Selbstversorgung auf.

Mit diesem Wissen ausgerüstet, besichtigten wir im Anschluss das Kunstgussmuseum, das es seit 25 Jahren gibt und seine erfolgreiche Unternehmensgründerin würdigt, und die noch heute sehr erfolgreiche Kunstgießerei. Alles war total spannend und interessant für mich.

Auf der Rücktour machten wir bei Kaffee und Kuchen auf dem „Steinitzhof“ in Steinitz bei Drebkau halt. Unsere vielen Gespräche, egal ob beim Mittagsessen in Senftenberg oder dann in Steinitz, drehten sich nicht nur um den Arbeitsalltag unserer Landtagsabgeordneten Kerstin Kircheis. Heiß diskutierte ich und andere unserer Gruppe mit ihr das Thema „Geplante Kreisgebietsreform“.  Sabine Hiekel machte zwischendurch immer auf die negativen frauenpolitischen Auswirkungen des momentanen Referentenentwurfes aufmerksam.

„Bloß gut“, dachte ich, „dass ich als Mann diese spannende Erkundungstour mitmachte. So viele neue Inputs und Wissenswertes an einem Tag zu erhalten, hatte ich vorher gar nicht vermutet.“

 

Dipl.-Ing. (FH) Karsten Hiekel, 55 Jahre aus Cottbus