Die Revolution startet in uns
„Care-Revolution“ – Zwei wichtige Themen in einem Aufruf vereint. Mit dem Begriff „Revolution“; also gemeinschaftlich Aufbegehren gegen Verhältnisse, die Menschen beschneiden, und mit dem Begriff „Care“, also Sorge, tauchen bei mir viele Anliegen rund um die Themen Pflege, Wohlfühlen, Wünsche und Notwendigkeiten auf. Als Feministin, Erziehungswissenschaftlerin und Sozialarbeiterin war sofort angetan und will mich hiermit zu Wort melden und zu dem Aufruf, den der Frauenpolitische Rat auf seinen sozialen Netzwerken bzw. seinem Blog startete, bekennen. Zuwendung, Wertschätzung und (Für-)Sorge in allen ihren Facetten bedarf es zahlreicher Sprachrohre und Erfahrungsberichte.
Doch worüber und wie schreiben: Präventionsarbeit, Einsparungen oder etwa entsprechende Berufsfelder? Durch meine Tätigkeit in der offenen Mädchenarbeit fiel mir der Zugang sehr schwer. Schließlich forcierten die aktuellen Debatten und Problemlagen in der eigenen Kommune und die Wahrnehmung von sozialer Arbeit meine Auseinandersetzung mit dem Thema „seelische und emotionale Gesundheit pädagogischer Fachkräfte“.
Pflege, Zuwendung und Wertschätzung sind keine Selbstverständlichkeiten und werden dennoch als Werte und aktuelle Notwendigkeiten in der Gesellschaft gefordert. Dem folgt der Ruf nach Fachkräften für entsprechende Care- und Sozialberufe und -bewegungen. Die Debatten und Beschlüsse um entsprechende Rahmenbedingungen sind ein wegweisendes und notwendiges Zeichen. Hierbei stört mich allerdings, dass die Frage unbeantwortet bleibt, wer sich um die (aufopfernden) Menschen in diesen Branchen kümmert und auf welche Art und Weise sie Zuwendung erfahren?
Die Entscheidung für eine Tätigkeit in der sozialen Arbeit bedeutet nicht, dass Frauen* und Männer* alle Herausforderungen und Problemlagen mit der jeweiligen Klientel alleine bewältigen und verarbeiten können. Psychische, physische, finanzielle und auch zwischenmenschliche Belastungen prägen die Bedarfe von Kindern, Jugendlichen und alternden Menschen und so werden pädagogische Fachkräfte mit einer Vielzahl an Problemlagen konfrontiert.
Tarifliche Entlohnungen, neu geschaffene Arbeitsplätze, Projektfinanzierungen oder auch unbefristete Arbeitsverträge werden als Zeichen der Anerkennung der (geleisteten) Arbeit und Aufgaben verstanden. Zeitgleich sind Supervisionen, Teamberatungen, Arbeitszeiten und Auflösung von Problemfällen nach Stechuhr keine gelebte, realisierbare und eingeforderte Praxis. Die eigene emotionale und seelische Ausgeglichenheit und auch das Aufarbeiten von Prozessen werden folglich den Fachkräften aufgebürdet. Mehrfach habe ich voller Erschrecken erlebt, wie Fachkräfte mit der Äußerung „Ihr als Sozialarbeiter_innen macht das schon und wisst es ja besser“ konfrontiert wurden. Solche verinnerlichten Äußerungen blenden vollständig aus, welche Bedeutung zwischenmenschliche und fachliche Wertschätzung als auch das Begegnen auf Augenhöhe für Fachkräfte bedeutet. Ihre Zufriedenheit und seelische Gesundheit ist nicht allein an Geld zu bemessen, sondern hängt an Menschen.
Das Bewusstsein für Zuwendung und soziale Arbeit darf nicht nur aus der Motivation einer oder weniger Personen heraus entspringen; sie kann nur erhalten bleiben, wenn wir alle dieses Bewusstsein pflegen, weitertragen und befürworten. Nur so kann eine Revolution einen angemessenen Anfang finden und dauerhaft fortbestehen.
Text: Marlen Berg, 32 Jahre. Seit 2012 arbeite ich studienbegleitend in dem Frauenzentrum Cottbus, bin dort auch Vereinsfrau und seit 2013 im Mädchenprojekt angestellt und seit letztem Jahr dort Projektleiterin. Meine „Steckenpferde“ sind kreative Arbeit und der Mut zu Allem, was die Welt hergibt (Handwerk, Technik, Lesen, usw.). Dabei begleiten mich meine Hündin Lorelai und mein Mann, der ebenfalls ehrenamtlich in der mädchen- und frauenpolitischen Arbeit aktiv ist. Ich bin in Cottbus geboren und liebe die hiesige Kinder- und Jugendlandschaft und möchte weiterhin in dieser aktiv sein und hoffe zudem in der Mädchen- und Frauenpolitik „junge“ Ideen miteinbringen zu können und von vielen anderen tollen Frauen zu lernen. Eine große Bereicherung hierfür ist meine Freundin Franziska Reifenstein, die ich glücklicherweise auch gleichzeitig Kollegin nennen darf.
In der Blogreihe „Wir kümmern uns!“ schreiben Brandenburger*innen zu den Themen, die sie bewegen und/oder formulieren dabei auch Handlungsbedarfe und Wünsche an die Politik. Was sind aktuell wichtige Themen in Bezug auf Sorgearbeiten in Brandenburg? Wofür sollten wir uns gemeinsam einsetzen, worin uns gegenseitig unterstützen? Schreiben Sie/ schreibt uns Ihre und eure Sicht der Dinge!
Kontakt: kontakt@frauenpolitischer-rat.de // care-revolution-potsdam@riseup.net