„Die Emanzipation der muslimischen Frauen ist ein unaufhaltsamer Prozess“ – Frauenbewegung und Islam
Gestern fand im Rahmen der 28. Brandenburgischen Frauenwoche eine brandaktuelle Veranstaltung zum Thema „Feminismus und Islam“ in Potsdam statt.
Die Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung und der Frauenpolitische Rat luden Johara Bellali und Roberta Chimera von „Rights under the veil“, sowie die Schriftstellerin Barbara Sichtermann zur Diskussion ein.
Zunächst stellten die beiden Aktivistinnen ihr Projekt „Rights under the veil – Frauenrechte unter dem Schleier“ vor. Das Projekt ist transmedial, d.h. die Inhalte werden auf verschiedenen Plattformen veröffentlicht: geplant sind u.A. Bücher, Veranstaltungen und sogar eine VR-Anwendung. Der (vorläufige) Höhepunkt von „Rights under the veil“ wird ein Dokumentarfilm sein, der im Jahr 2020 erscheinen soll. Barbara Sichtermann trug im Anschluss an die Vorstellung dieses spannenden Projekts sieben Thesen vor, die sich mit dem Zusammenhang zwischen Geschlechterverhältnis, Gleichstellung und Integration beschäftigen – aus ihrer Perspektive als deutsche Feministin und langjährige Aktivistin (nachlesbar in diesem Artikel).
An die beiden Inputs schloss sich eine lebhafte und spannende Diskussion an – aus dem gut gefüllten Publikumsraum und mit den Podiumsgästen.
Dabei wurden viele verschiedene Aspekte der Thematik angeschnitten – von der Auslegung heiliger Schriften wie dem Koran und der Bibel über etwaige Burkaverbote bis hin zu Möglichkeiten des Dialogs.
Die deutsch-marokkanische Umweltingenieurin Johara Bellali erklärte, dass „die Emanzipation der muslimischen Frauen ein unaufhaltsamer Prozess“ sei und betonte die Vielfalt des Islams als gelebter Religion und auch die große Vielfalt des islamischen Feminismus. Der islamische Feminismus ist eine weltweite Bewegung vieler verschiedener Akteurinnen und auch Akteure, die diese Selbstbezeichnung für sich wählen. Aus dieser Bewegung stellte Frau Bellali einige Frauen vor, Asma Lamrabet kam in einem kurzen Videobeitrag als eine der bekanntesten muslimischen Feministinnen selbst zu Wort. Sie ist der Ansicht, dass viele Probleme arabisch-muslimischer Länder mit „dem Werkzeug des muslimischen Feminismus“ zu lösen seien und auch aus dem Publikum wurde sich über diese Entwicklungen in der muslimischen Welt mit großer Neugier und Freude geäußert.
Asma Lamrabet kritisiert in ihren Büchern die patriarchale Auslegung der heiligen Schriften des Islam, betont die dort ebenfalls zu findende „Gleichheit der Schöpfung“ und stellt diese in den Fokus ihrer Interpretation. Magdalena Möbius, die einen ähnlichen Aspekt der Bibel auf unserer Auftaktveranstaltung der Frauenwoche in den Mittelpunkt ihres Vortrags stellte, saß ebenfalls im Publikum und freute sich über die Möglichkeit eines interreligiösen Dialogs.
Leider wird beim Thema „Frauen und Islam“ oft zunächst über Gewalt gesprochen anstatt über selbstbewusste Frauen, die für ihre Rechte kämpfen. Ein Thema, das dabei häufig auftaucht und ebenfalls von Barbara Sichtermann in die Debatte eingebracht wurde, ist die Möglichkeit eines Verbots bestimmter Kleidungsstücke, vor allem der Burka. Auf die Frage, inwiefern es mit weiblicher Selbstbestimmung überhaupt vereinbar ist, Kleidungsvorschriften gesetzlich festzulegen und was die Folgen eines derartigen Verbots für die betroffenen Frauen wären, wurde allerdings kein Konsens gefunden.
„Eine Religion lebt nur weiter, wenn sie sich dem Dialog öffnet“, stellte Frau Sichtermann abschließend fest und Johara Bellali betonte: „Diese Fragen sind nicht nur theologischer Natur, sondern vor allem auch politische Fragen. Islamophobie muss bekämpft und es muss mit der Frau unter dem Schleier gesprochen werden.“ – Die abschließende Botschaft der Veranstaltung spiegelte sich somit schon im Titel der Veranstaltung wider: Ins Gespräch kommen und nicht nur darüber reden!
Text: Sarah Stöckigt
Fotos: Simone Ahrend
2 Comments
Marcus
14. März 2018Ich bin sehr froh, dass es solche Veranstaltungen gibt, habe die Diskussion genossen udn würde nur noch empfehlen, einerseits konkreter zu werden, andererseits nicht „hängen zu bleiben“ an der üblichen Kopftuch-Debatte.
Liebe Grüße! Weietr so! Marcus
Frauenpolitischer Rat
15. März 2018Lieber Markus,
vielen Dank für dein Lob und die Anregungen!
Wir fanden die Diskussion auch sehr spannend und freuen uns darauf, weiterhin an diesen Themen zu arbeiten und dabei auch konkreter zu werden.
Herzliche Grüße aus der Geschäftsstelle des FPR