Das Märchen von der „Genderverschwörung“ im Schloss Lübben
Märchenerzählungen in einem malerischen Schloss mitten im Spreewald – was nach einem romantischen Zeitvertreib klingt, war im Rahmen der 28. Brandenburgischen Frauenwoche eine doch eher ernsthafte Veranstaltung, die sich mit aktuellen politischen Themen und „Angriffen auf die Gleichstellung von rechts“ auseinandersetzte.
Am 14. März 2018 luden die Friedrich-Ebert-Stiftung in Kooperation mit der Gleichstellungsbeauftragten des Landkreises Dahme-Spreewald und der Stadt Lübben in den beeindruckenden Wappensaal im Schloss der Stadt Lübben und gestalteten ein spannendes Tagesprogramm.
Die Gleichstellungsbeauftragte Elke Voigt nahm in ihrer Einführung Bezug auf das Motto der diesjährigen Frauenwoche „Selber Schuld“. Sie warf dazu die Frage auf, was Frauen denn als eigene Schuld unterstellt werde, um im Anschluss zu betonen, dass strukturelle Benachteiligungen nach wie vor aktuell seien. Wichtig sei die Sensibilisierung in den Köpfen von Führungskräften in Politik und öffentlicher Verwaltung, bei Unternehmerinnen und Unternehmern. Im Angesicht aktueller gleichstellungspolitischer Rückschritte bestehe nach wie vor Handlungsbedarf.
Lars Kolan, der Bürgermeister der Stadt Lübben, schloss sich dieser Einschätzung an und berichtete, dass in der Stadtverordnetenversammlung nur zwei von 22 Verordneten weiblich seien. Auf sein Grußwort folgend lud uns Museumsdirektorin Corinna Juncker in eine Zeitmaschine in das 14. Jhd. ein und berichtete uns über die Räumlichkeiten, in denen die Veranstaltung stattfand und in denen das Geschehen früher eher männerdominiert war.
Nach den Grußworten und dem historischen Abriss hielt dann die Referentin Dr. Barbara Stiegler ihren Vortrag zum Thema des Tages: „Das Märchen von der Genderverschwörung und Angriffe auf die Gleichstellung von rechts“
Die Referentin ist ebenfalls zusammen mit Dorothee Beck die Autorin der gleichnamigen Publikation der Friedrich-Ebert-Stiftung, die vor allem als Argumentationsgrundlage für eine geschlechtergerechte und vielfältige Gesellschaft dient und zeigt, „warum das Märchen von der großen Gender-Verschwörung eben genau das ist: ein Märchen.“
In einem Blitzkurs aus der Geschlechterfoschung betonte Dr. Stiegler die Tatsache, dass Vorstellungen von Geschlecht an eine bestimmte Zeit und Kultur gebunden seien. Gesellschaftliche Strukturen geben den Rahmen vor, in dem sich Rollenbilder herausbilden und „traditionelle“ Vorstellungen von Geschlecht stünden oft konträr zum aktuellen Stand der Forschung. Dr. Stiegler erklärte, dass sich Geschlechterrollen im Zeitverlauf veränderten, Geschlecht nicht „biologisch determiniert“, „natürlich“ und nur auf zwei Kästchen einzugrenzen sei. Der wissenschaftliche Blick öffnet hier die Möglichkeiten und bietet Argumente, wie dieses Zitat der Biologin Donna J. Haraway gut zusammenfasst:
Die Biologie ist ein Zweig des politischen Diskurses und kein Nachschlagewerk objektiver Wahrheit.
Dr. Stiegler bettete in ihrem Vortrag, der trotz aktuellster wissenschaftlicher Forschungsergebnisse stets gut verständlich war, die Angriffe gegen die Gleichstellung in einen gesamtgesellschaftlichen Backlash ein, der aktuell auch nicht nur auf Deutschland begrenzt ist, sondern europaweit stattfindet.
Den aktuellen Backlash führte sie unter anderem auf die Erfolge der Gleichstellung in den letzten Jahren und Jahrzehnten zurück. Diese spürbaren Erfolge und aktuellen Debatten wurden sichtbarer und führten bei einigen Gruppierungen in der Gesellschaft zu Widerstand und zum Infragestellen dieser bisherigen Erfolge. Ein wenig Mut machte sie den Teilnehmenden des Fachtags allerdings mit der Aussage, dass dies in der Geschichte der Emanzipation nichts Neues sei und auch der Fortschritt eben oft „in Wellen verlaufen“. Bei manchen Argumentationen der Gleichstellungsgegner*innen bliebe allerdings sogar Frau Dr. Stiegler die Spucke weg – sie betonte aber, dass es dann besonders wichtig sei, die Sprache und Argumentationen wiederzufinden, was wir dann direkt vor Ort geübt einmal geübt haben.
In einem kleinen Rollenspiel wurden die Argumentationen beider Seiten in einer Diskussion durchgespielt – zentral war dabei immer wieder die Frage: „In welcher Welt wollen wir leben?“ Die Antwort auf diese Frage war für die Teilnehmenden der Veranstaltung eine Welt, in der Vielfalt anerkannt wird, es nicht eine festgesetzte Definition von „normal“ gibt, an die sich alle halten müssen und dass gleichberechtigte Teilhabe für alle möglich sein muss.
Text und Fotos: Sarah Stöckigt