Bei süßem Kuchen über vergiftete Komplimente, Entgleisungen und Übergriffe sprechen 

Grünen-Chefin Annalena Baerbock ermutigt Frauen, bei vergifteten Komplimenten zu kontern.

Cottbus • Was ist denn überhaupt ein vergiftetes Kompliment? »Komplimente sind dann vergiftet, wenn sie gleichzeitig eine Machtfrage enthalten«, das sagte Annalena Baerbock, die B90/Grüne Bundestagsabgeordnete und Parteivorsitzende im Café Sweet Candy in offener Atmosphäre und bei kleinen Köstlichkeiten zu mehr als 40 Frauen im Rahmen der 28. Brandenburgischen Frauenwoche in Cottbus. Etwa wenn Frauen im Bewerbungsgespräch gesagt werde: „Sie haben nicht nur ein super Zeugnis, sondern sind auch noch schick.“ Da stellt sich die Frage: »Wurde ich jetzt wegen meiner Fähigkeiten oder wegen meines Aussehens eingestellt?«

Die Bundesvorsitzende der Grünen berichtete am Samstag in dem Gespräch: »Bei den Sondierungsverhandlungen zu einer möglichen Jamaika-Koalition nach der Bundestagswahl hat einer der Unterhändler zu Winfried Kretschmann gesagt, dass die jungen grünen Fachpolitikerinnen ganz schön fit seien in ihren Inhalten. Da stellt sich mir doch gleich die Frage: Warum sollte ich als Bundestagsangeordnete nicht kompetent sein?«

Bei dem frauenpolitischen Gespräch ermutigte Baerbock alle Frauen, die vergifteten Komplimente zu erkennen und stellte einige vor. »Wenn ein Chef bei einem Bewerbungsgespräch eine Frau als: „wohlwollend, jung und hübsch“ bezeichnet, dann lässt sich frau das auch mal neben dem süßen Kuchen auf der Zunge zergehen. Dieser Chef stellt dadurch aber Hierarchien her, in dem er die Wertmaßstäbe bestimmt. So wird klar: Jungsein und Schönsein ist wichtiger als Leistung und Zuverlässigkeit. Mit diesem vergifteten Kompliment legen Chefs nämlich Spielregeln fest: Gefalle uns, dann darfst Du für uns arbeiten«. Annalena Baerbock prangerte diverse schäbige Methoden männlicher Kollegen an und zitierte auch den CDU-Landtagsabgeordneten Andreas Gliese, der seine persönliche Mitarbeiterin in einem TV-Beitrag als „attraktive Lady“ vorstellte und über sie sagte, sie sorge für ein positives Betriebsklima. Ein Mann würde so sicherlich nicht vorgestellt, eher würde seine Intelligenz in den Mittelpunkt gestellt.

Was aber tun in solchen Momenten? Annalena Baerbock, die von 2009 bis 2013 Parteivorsitzende der brandenburgischen Grünen war, erzählte, wie sie am Anfang ihrer Laufbahn nicht immer sofort reagieren konnte und ihr manchmal eine Konter-Antwort erst Stunden oder Tage später einfiel und sie auch lernen musste, darauf zu reagieren. Baerbock rät Frauen zur rhetorischen Gegenfrage. »Wenn man bei einem Kompliment ein ungutes Gefühl hat, sollte man direkt nachfragen: „Zweifeln Sie an meinen Fähigkeiten?“«.

Auch die Gleichstellungsbeauftragte Sabine Hiekel ermutigte die Frauen, Stärke zu zeigen. Sie beschrieb, wie sie als junge Mutter, nach dem Babyjahr im Rathaus Vollzeit arbeitete und Zuhause einen Prozess in Gang gesetzt hat, bei dem sie sich mit ihrem Mann die Arbeit im Haushalt teilte: »auch wenn mal ein Stück Wäsche verfärbt war oder die Badewanne nicht ganz so glänzte, das war dann egal. Für viele junge Paare ist es inzwischen selbstverständlich, dass jeder seinen oder ihren Teil der Hausarbeit erledigt, dennoch hat die Gesellschaft noch eine Menge Arbeit vor sich. Auch Väter können ihren Töchtern und Söhnen diese Machtstrukturen erklären und so helfen, sie zu überwinden. Gemäß dem Motto der Frauenwoche „Selber schuld“ heißt es, sich an dieser Stellen wehren zu lernen, Kompetenz zu zeigen und einzufordern, Sexualisierte oder emotionale Distanzlosigkeit zu erkennen und sich gegenüber bestimmten Persönlichkeitstypen durchzusetzen.«

Text und Bilder: Simone Ahnend, sah-photo.de

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