„Bedaure, Kitaplatz ist besetzt und nächstes Jahr wird auch nichts frei“
Ich bin stolze Mutter von drei Kindern. Meine beiden Kleinen besuchen einen großen Kindergarten in Brandenburg. In dieser Kita muss einiges verbessert werden, dennoch bin ich dankbar, für die Plätze. Ganz so selbstverständlich war das alles nicht, denn ursprünglich waren die Kinder woanders angemeldet. Zwei Wochen bevor eines unserer Kinder dort hingehen sollte, bekamen wir einen Anruf von der Kita: „Bedaure, dieser Platz ist besetzt. Nächstes Jahr wird leider auch nichts frei sein.“
Ich kann mir gut vorstellen, wie sich Eltern fühlen, die arbeiten müssen und keine Betreuungsmöglichkeiten für ihre Kinder finden. Der frühere SPD-Kultusminister, Stephan Dogerloh, plädierte am 30.10.2022 im SPIEGEL für eine Kitapflicht ab dem vierten Lebensjahr. Ich denke, es bedarf keiner Kitapflicht, sondern einem Recht auf gute, individuelle und liebevolle Bildungsmöglichkeiten, sowie eine freie Entfaltung. Unabhängig von Pflicht oder Recht verlangen die vorgeschlagenen Maßnahmen zunächst den Ausbau von genügend Plätzen. Laut der Bertelsmann Studie fehlen für das Jahr 2023 fast 400.000 Kitaplätze in der Bundesrepublik. Für uns Eltern bedeutet dies, dass wir andere Lösungsmöglichkeiten finden oder finanzielle Einbußen hinnehmen müssen.
Es bedarf unterschiedlicher Betreuungsangebote für unterschiedliche Kinder. Eltern kennen ihre Kinder und haben Vorstellungen, wie sie betreut werden sollten: Die einen wünschen sich eine mehrsprachige, spielerische Erziehung oder verschiedene kreative Ausdrucksmöglichkeiten. Andere Eltern bevorzugen Waldpädagogik. Kinder haben ein Recht auf einen angemessenen Betreuungsschlüssel. Dass dieser auch eingehalten wird, fordern die Bezugspersonen. Kinder brauchen Geborgenheit und genug Raum. Es sollte selbstverständlich sein, dass wir ausreichende qualifizierte Fachkräfte einsetzen. Erzieher*innen müssen den gleichen Stellenwert wie Lehrkräfte haben. Die längst fällige Akademisierung, zumindest für einen Teil der Kitabeschäftigten, und eine Verbeamtung wären mögliche Schritte. Qualifizierte Erzieher*innen sind wichtige Bezugspersonen für unsere Kinder. Ich erwarte ein fundiertes pädagogisches Wissen und auch die Möglichkeit des Personals, dieses Wissen umzusetzen.
Kinder benötigen Raum
1976 wurde die Kita Fröbel in Forst mit einer Kapazität von 245 Plätzen gebaut. Ein in die Jahre gekommener Kindergarten mit kleinen Räumen und inzwischen völlig veralteten Stromleitungen. Mein zweijähriges Kind teilt sich mit bis zu 18 Kindern und derzeit 1-2 Betreuer*innen einen ca. 47m² großen Raum. Es sind viel zu viele Kinder auf viel zu wenig Personal und das auf engstem Raum. Eltern kritisieren, dass Kitas zu Aufbewahrungsstätten reduziert werden. Ein Grab ist eine Aufbewahrungsstätte, in dieser wird der Körper aufbewahrt, nicht jedoch der Geist. Was für eine negative Vorstellung. Besser gefällt mir die Vorstellung, dass ein Raum gemeint ist, in dem der Staatsschatz aufbewahrt wird. Unsere Kinder sind die größten Schätze des Staates. Ich frage mich nur, ob der Staat seine wirklichen Schätze erkennt?
Eine Klimaanlage für die Kita sollte wenigstens im zweiten Stock Pflicht sein, denn im Sommer überhitzen die Räume enorm. Weder die Lautstärke in diesem zwergenhaften Zimmer, noch der Betreuungsschlüssel entspricht wissenschaftlichen Empfehlungen. Dazu kommt, dass Erziehende Zeit für adäquate Weiterbildungen benötigen. Unter solchen Umständen sind Einarbeitungen von Kolleg*innen, Ausfall auf Grund von Krankheit, Konflikte, Teambildungen und Kinder, die eine besondere Aufmerksamkeit benötigen, eine absolute Herausforderung. Wenn dann in anderen Bundesländern über Ausnahmeregelungen diskutiert wird, in der die Höchstgruppenstärke um bis zu zwei Kinder noch weiter überschritten werden soll, dann ist das unter solchen Arbeitsbedingungen nicht akzeptabel. Geht das so weiter, haben wir bald Verhältnisse wie 1930 in Neckartenzlingen. In diesem Kindergarten namens „Kleinkinderschule“ musste eine einzige Schwester 75 Kinder betreuen.
Bei vielen Kindern auf engstem Raum breiten sich Viren mit höchster Geschwindigkeit aus. Dazu kommt, dass viele Eltern auch kranke Kinder in den Kindergarten bringen, weil sie sich weitere Arbeitsausfälle nicht leisten können. Das Personal versucht dem mit Aushängen entgegen zu wirken: „Liebe Eltern, kranke Kinder gehören nicht in die Kita!“ Auch wenn ich Eltern und deren Druck mit der Arbeit verstehen kann, sehe ich das genauso. Keine Arbeit ist so wichtig, dass ein krankes Kind in den Kindergarten muss. An dieser Stelle möchte ich auch erwähnen: Krankes Personal gehört genauso wenig in den Kindergarten. Bei dem derzeit exorbitanten Personalmangel schleppen sich viele Erziehende krank zur Arbeit, weil ansonsten die Eltern ihre lieben Kleinen wieder mit nach Hause nehmen müssten.
Rede gerne über alles, aber nur über das, was gefällt: Dietmar Woidke und seine leeren Versprechungen
Für mich als Mutter ist auch das Thema Essen ein zentrales. Eine gute Küche trägt zur Gesundheit meiner Kinder bei und wenn ich arbeite, dann ist es mir nicht möglich meinen Kindern gesundes frisches Essen zuzubereiten! Der Kindergarten hier sieht das genauso. Gesundes Essen für die Kinder. Was für eine schöne Vorstellung! Unsere Kita möchte gerne ihre Pellkartoffeln selbst kochen. Seit Jahrzehnten setzt sich die Leitung für eine eigene Küche ein. Unglaublich, dass eine eigene Küche ein so großes Problem darstellt, denn viele Vorteile sprechen dafür: Es würden Arbeitsplätze geschaffen und auf altersspezifische, ganzheitliche, regionale und kulturelle Essgewohnheiten könnte Rücksicht genommen werden. Außerdem fände eine Wissensvermittlung statt, da die Kinder auch mitmachen dürften. Zeitlich wäre die Kita viel flexibler und der Duft von frischem Essen könnte der Kita etwas Wohliges einhauchen. In der hiesigen Kita gab es mal eine eigene Küche. Leider wurde von Seiten der Stadt das Küchenpersonal eingespart und die Küche geschlossen. Eine neue Küche wird nicht gefördert. Viele Jahre hat sich die Kitaleiterin dafür stark gemacht: Fördergelder beantragt, Gutachten herangeholt und selbst den Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg, Dietmar Woidke, persönlich angeschrieben. Ein Mann, der sagt: „Jeder Cent für unsere Kinder ist bestens investiertes Geld.“
Er kam tatsächlich, zusammen mit der damaligen Familienministerin Franziska Giffey, und beide hielten sich eine Stunde in den Räumen der Kita auf. Sie waren überall, außer in der Küche. Frau Giffey versprach, kurz vor der Wahl, dass jetzt einiges besser werden würde. Eine halbe Stunde bevor die beiden erschienen, bekam die Kitaleiterin einen Anruf. Sie dürfe gerne über alles reden, nur nicht über die Küche. Das eigentliche Anliegen, weshalb die Kita überhaupt an den Ministerpräsidenten herangetreten ist. Was mich persönlich am meisten an dieser Geschichte trifft die Frage, ob die Sozialisation von vielen Frauen dazu geführt hat, dass sie in solchen und anderen Momenten schweigen?
Anschließend kam dann die Absage für die Küche – zu teuer. Die Aussage des Ministerpräsidenten trifft hier offensichtlich nicht zu, und die damalige Familienministerin hat vermutlich nur die Kita der Bundesregierung gemeint. Denn dort wird es besser. Obwohl dieser Kindergarten 23 Jahre später als unserer erbaut wurde, wird diese Kita nun vergrößert und saniert. Alles für die Kinder. Nur nicht für alle Kinder!
Ich bin trotz allem glücklich, dass meine Kinder dort sind. Es ist eine tolle Kita und dass dank dem ausgesprochenen Engagement der Erziehenden. Die Möglichkeiten, die der Kindergarten hat, versucht er umzusetzen. Die Räume wurden saniert und liebevoll eingerichtet. Es steckt viel Herzblut darin und selbst bei größtem Stress gibt es immer ein Lächeln von den Erzieher*innen.
Es wird Zeit, dass wir nicht mehr kollektiv wegschauen, denn es geht um unser aller Zusammenleben. Wenn Menschen auf die Straße gehen, weil sie sich gegen schlechte Arbeitsbedingungen im Care-Sektor wehren wollen, dann sollten wir uns solidarisieren. Wir dürfen es nicht mehr zulassen, dass sich unsere Rechte und unsere Demokratie immer mehr dem Kapitalismus unterordnen, den Machtstrukturen und der Ungerechtigkeit. Mit jeder Ungerechtigkeit, die wir zulassen, verlieren wir unsere Demokratie ein Stückchen mehr!
Text: Tatjana Geschwendt, FPR Sprecherin
Sie hat einen Master in Rhetorik, ist Ansprechpartnerin für die Bundeselterninitiative Mother Hood in Brandenburg, Beraterin für Kindergärten sowie Schulen und leitet Seminare zu den Themen „Konflikte“ und „Wertschätzende und empathische Gesprächsführung“.