Jetzt erst recht!

Neun Frauen gründeten 1992 den Frauenverein Schwedt e. V. und legten damit den Grundstein für das bis heute bestehende Frauenzentrum in der Oderstadt. Die 66jährige Andrea Lotze war von Anfang an dabei. Erst über eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM), und als sie wieder Arbeit als Bibliothekarin gefunden hatte, als unermüdliche Ehrenamtliche.

Und wenn es nicht andere, genauso tatkräftige Macherinnen wie sie gäbe, wäre auch das Frauenzentrum in Schwedt längst Geschichte. „Wir sind nur noch drei“, sagt Heiderose Gerber, Geschäftsführerin des Potsdamer Frauenzentrums und Mitgliedsfrau in der LAG der Frauenzentren Brandenburgs, die am 21. Juni in Schwedt beim 25-jährigen Jubiläum dabei ist und einen ihrer berühmten orangefarbenen (Schutz-)Schirme als Präsent überreicht.

Annette Lang und Heiderose Gerber

Bis zum Jahr 2000 gab es im ganzen Land noch 16 Frauenzentren, die sich wie Schwedt der Begegnung, Bildung und Beratung von Frauen und Mädchen widmeten. Doch unter Finanzministerin Wilma Simon wurden diese Aufgaben als kommunale deklariert und so grundsätzliche Kürzungen vorgenommen, die den meisten Frauen-Vereinen ein Überleben unmöglich machten.

Nur in Potsdam konnte die Kommune dauerhaft in die Pflicht genommen werden; in Cottbus und in Schwedt gibt es bis heute keine kontinuierliche Förderung und selbst die Geschäftsführerinnen werden über Projekte, die mindestens jährlich eingeworben werden müssen, bezahlt. Von all diesem existenziellen Druck merkt man als Besucherin des soziokulturellen Zentrums  in Schwedt nichts. In einer ehemaligen Kita, schräg gegenüber von großstädtisch anmutenden Elfgeschossern, tobt mindestens fünf Tage die Woche das Leben.

Mädchen und Frauen aller Generationen feierten das 25jährige Jubiläum

Fast ein Dutzend liebevoll eingerichteter Begegnungs-, Sport-, Spiel-, Computer- und Kreativräume laden zu vielfältigen Aktivitäten vor allem für Frauen und Kinder ein. Rund 22.000 Besucher*innen  – in einer insgesamt 30.000 Einwohner zählenden Stadt –  sind der Lohn für die unermüdliche Arbeit des vielköpfigen, zumeist ehrenamtlich arbeitenden Teams rund um die Leiterin Annette Lang, die eine studierte Mathematikerin ist. Sie alle tragen zum Fest lila Poloshirts und schaffen es sogar, einen eigenen Song zum Jubiläum zu dichten und diesen auch selbst vorzutragen.

Andrea Lotze ist von Anfang an dabei

„Das Frauenzentrum in der Stadt, ist etwas was nicht jeder hat“, heißt es darin und immer wieder erklingt ein trotziges „Jetzt erst recht!“ Diese lustvoll-kämpferische Stimmung greift auch auf die mehr als 150 Besucher*innen aller Generationen und Schichten der Jubiläumsfeier über. Und eine langjährige Besucherin sagt, dass es ihr wichtig ist, dass es ein Haus gibt, wo sie (nur) unter Frauen sein kann. Seit 13 Jahren gibt es auch eine Zusammenarbeit mit polnischen Frauen, die natürlich auch zur Jubiläumsfeier gekommen sind.

„Jetzt erst recht!“ heißt es im Jubiläumssong

Andrea Lotze kümmert sich unterdes darum, dass das Fest-Programm läuft und führt neugierige Besucher*innen stolz durch „ihr“ Haus. Sie sagt, dass sie mit ihm inzwischen so verwachsen ist, dass es ihr schwerfällt, als Rentnerin deutlich kürzer zu treten. Annette Lang und sie seien ein Team, das sowohl die Akquise der finanziellen Mittel gemeinsam wuppt als auch unzählige Veranstaltungen vielfältiger Couleur organisiert. Der „Lila Salon“ – eine Reihe mit Kunst und Literatur – sei immer ausverkauft, erzählt Lotze stolz.

Auch die polnischen Frauen aus Zielin gratulieren

Doch nicht nur diese regelmäßigen Höhepunkte tragen zur Erfolgsbilanz bei. Andrea Lotze berichtet, dass die meisten der Besucher*innen sich bei ihnen so wohl fühlen, dass sie nach dem Kursbesuch oder dem Krisenberatungsgespräch noch einen Kaffee trinken, sich mit anderen Frauen unterhalten und immer wiederkommen. Das sei ihr größtes Pfand. Und sie haben sich vorgenommen, noch lange so weiterzumachen. Und kein bisschen leiser – in ihren Aktivitäten  und Forderungen – zu sein. Das insgesamt 12-stündige Festprogramm zeigte, dass sie nicht nur feste arbeiten, sondern auch Feste feiern können.

Text und Fotos: Astrid Priebs-Tröger

 

Die Landesarbeitsgemeinschaft (LAG) der Frauenzentren wurde 1992 gegründet. Sie sieht sich als politische Interessenvertretung, dient dem fachlichen Austausch untereinander und stärkt insgesamt die Interessen der Frauenzentren im Land Brandenburg.
Ab 2001 hatten alle Mitglieder mit dem Kampf ums Weiterbestehen zu tun. Von 16 geförderten Projekten gibt es heute noch drei, die versuchen gleichberechtigt in Kontakt zu bleiben.
Die Mitglieder der LAG – das Autonome Frauenzentrum Potsdam, das Frauenzentrum Schwedt und das Cottbusser Frauenzentrum „Lila Villa“ sind im Frauenpolitischen Rat vertreten, um ihre Erfahrungen einzubringen und den Kontakt zur Landespolitik zu halten.