Digitale Gewalt gegen Frauen
Blogbeitrag zum Fachgespräch zu Digitaler Gewalt gegen Frauen
Am 21. Januar lud die Linksfraktion im Bundestag zum Fachgespräch „Digitale Gewalt gegen Frauen“. Das Thema fand so großes Interesse, dass vorab ein größerer Raum gefunden werden musste. Es scheint also einen Nerv zu treffen.
Einleitend sprachen Doris Achelwilm, Sprecherin für Gleichstellungs-, Queer- und Medienpolitik und Anke Domscheit-Berg, Netzpolitische Sprecherin der Linksfraktion.
Digitale Gewalt ist Gewalt!
Achelwilm betonte, dass fast jede Kollegin, die sie kennt, persönlich Erfahrung mit digitaler Gewalt gemacht habe. Jedoch werde das Problem oft mit relativierenden Aussagen („das ist ja nur digital“ / „das ist nicht echte Gewalt“) abgetan. Eine fatale Fehleinschätzung, wie die furchtbaren Taten in Halle oder der Mord an Walter Lübcke zeigen. Zu oft, so Achelwilm, werde auch hier das Opfer in die Verantwortung genommen: man müsse dies oder jenes ja nicht unbedingt posten oder überhaupt im Netz unterwegs sein, hieße es dann. Was aber wäre die Konsequenz daraus? Im Netz darf sich nur bewegen, wer mit dem Risiko von Gewaltandrohungen gut leben kann und alle anderen werden aus diesem Raum verdrängt?
Anke Domscheit-Berg hob hervor, dass digitale Gewalt oft die Fortsetzung von realer Gewalt sei und auch daher reale Bezüge habe. Auch partnerschaftliche Gewalt verlagere sich ins Netz und bediene sich digitaler Hilfsmittel: Spyapps, Cyberstalking, Erpressung mit digitalem Film- und Bildmaterial sind nur einige Beispiele dafür. Eine kleine Anfrage der Abgeordneten zeigte auch, dass digitale Gewalt gegen Frauen nicht gesondert erfasst wird, sondern – wenn überhaupt – generell unter Cyberkriminalität fällt.
Die Netzpolitische Sprecherin der Linksfraktion forderte daher eine spezialisierte Staatsanwaltschaft und mehr Medienbildung schon bei den Kleinsten. Zugleich wandte sie sich gegen die Einführung einer Klarnamenpflicht.
Ans Hartmann vom bbf berichtete von ihren Erfahrungen aus einer Fachberatungsstelle. Sie bemängelte die fehlenden Ressourcen und Ansprechpartner*innen in Justiz und Politik.
Umstritten: Klarnamenpflicht
Hartmann brachte auch die Klarnamenpflicht ins Spiel, die vor Fake-Profilen schützen und die Hürde für Hasskommentare durch die direkte Identifikation anheben soll. Andere Diskussionsteilnehmerinnen, darunter auch Domscheit-Berg, sahen dies anders. Sie befürchten, dass eine Klarnamenpflicht die Täter nicht abschreckt. Auch heute schreiben schon viele Hasskommentare unter ihrem tatsächlichen Namen. Eine Klarnamenpflicht schadet demnach also eher den Frauen, die im Netz unterwegs sind, da sie durch ihren echten Namen noch angreifbarer werden. Das gilt besonders, wenn z. B. im Impressum eines Blogs auch die Adresse angegeben werden muss. Zwar kann hier auch eine Büroadresse angegeben werden, jedoch verfügt nicht jede Frau* über eine solche oder möchte dort Belästigungen ausgesetzt werden. Hier würde beispielsweise ein simples Chiffre-System, das man bei den Behörden erfragen kann, Abhilfe schaffen.
Leena Simon vom Frauenzentrums Frida ist derzeit bundesweit die einzige IT-Beraterin zu digitaler Gewalt. Sie berichtete, dass nur in zwei der vielen Fälle, mit denen sie beschäftigt war, das Endgerät überhaupt von der Polizei geprüfte wurde. Hier fehle es offenbar nicht nur an Willen, sondern auch an Wissen und Ressourcen. Natürlich könne nicht jedes Gerät auf Grund eines Verdachtes analysiert werden, aber es müssten Grundkenntnisse darüber vorhanden sein, welche Anhaltspunkte ein solches Vorgehen notwendig machen. Simon kritisierte nicht das bestehende Recht. Dieses gebe bereits viel her für den Opferschutz. Vielmehr scheitere es an der Umsetzung.
Christina Clemm sagte resigniert: „Ich bin ziemlich erfolglos“. Sie bezog sich damit auf die Anzeige und die Strafverfolgung von digitaler Gewalt. Sie berichtete, dass die Polizei teilweise selbst nicht wisse, an welche Stelle man sich wenden könne. „Irgendwo im Internet“, heiße es dann häufig. Oft scheitere es an fehlender Erfahrung im Umgang mit digitalen Medien und an mangelndem Wissen darüber, wie die Netzgesellschaft funktioniert. Clemm berichtete aber auch von Fällen, in denen dem Täter sogar die Kontaktdaten der Betroffenen gegeben wurden, um sich zu „entschuldigen“. Ein solches Verhalten von offizieller Seite bekräftige die fatale Ansicht, dass digitale Gewalt ein Kavaliersdelikt sei und nicht nicht ernst genommen werden müsse.
Bei Doxing Fällen wird wiederum keine Notwendigkeit in der schnellen Beseitung der PRIVATEN Daten gesehen, da sie ja eh schon öffentlich sind usw.
Eine grausige Aneinanderreihung von Erlebnissen von Frauen die versuchen sich gegen digitale Gewalt zu wehren ergibt sich den Zuhörer*innen. Clemm fordert daher eine Weiterbildungspflucht für Staatsanwaltschaften.
Dr. A. K. Wolf vom Deutschen Juristinnenbund schließt sich ihren Vorrednerinnen an und betont, dass die Istanbul Konvention den Staat verpflichtet Gewalt gegen Frauen zu erfassen, folglich auch jene im Netz. Ein digitales Gewaltschutzgesetz kann ihrer Ansicht nach nur kurzfristige Abhilfe leisten, es geht aber nicht an die Grundlagen des Problems. Sie berichtet von weiteren Problemen der Strafverfolgung digitaler Gewalt gegen Frauen. So müssen ungewollt ins Netz gestellte Bilder und Filme von Frauen (in expliziter Darstellung) erstmal gefunden werden, die Verantwortung liegt hier bei den Opfern. Wer weiß aber schon ob in einem Hotel eine illegal angebrachte Kamera oder am Strand eine Drohne war usw. Eine folgende Unterlassungerklärung mit Folgenbeseitigungspflicht, würde zwar eigentlich verlangen, dass alle Aufnahmen aus dem Netz verschwinden, doch dies regelmäßig zu überprüfen, ist unmöglich.
Das Problem scheint riesig zu sein, und wir stehen erst am Anfang der Debatte. Der Diskurs ist aber wichtig, denn die Staatsanwaltschaften brauchen den Druck durch das „öffentliche Interesse“. Zudem müssen Mittel der digitalen Gewalt gegen Frauen wie z. B. Spyapps grundsätzlich verboten werden.
Text und Bild: Claudia Sprengel