Direktkandidat*innen zur Bundestagswahl beim Gespräch im Frauenzentrum
„Irgendwie auch ein bisschen schade, dass Sie alle so sympathisch sind.“ begrüßt die Mitarbeiterin des Frauenzentrum Potsdam, Jenny Pöller, zu Beginn des Gesprächs die Direktkandidat*innen zur diesjährigen Bundestagswahl. Ihre Befürchtung, dass ohne Saskia Ludwig (CDU) und Linda Teuteberg (FDP) das Gespräch weniger kontrovers verlaufen könnte, bestätigt sich zwar im Laufe der Veranstaltung, aber weniger interessant ist die Diskussion dadurch nicht. Die AfD, samt Direktkandidat, wurde nicht eingeladen – wenn es um die Zukunft der frauenpolitischen Themen auf Bundesebene geht, dann spricht frau doch lieber mit Politiker*innen deren Menschenbild weniger frauenfeindlich ist.
Und so stellen sich Annalena Bearbock (Grüne), Manja Schüle (SPD) und Norbert Müller (Linke), nach Begrüßungsworten von der Potsdamer Gleichstellungsbeauftragten Martina Trauth-Koschnick, beflissen den vorbereiteten Fragen aus drei Themenbereichen, wobei das Publikum abstimmen darf, welche Frage beantwortet werden muss. Vorab stellen sich alle drei in kurzen Eingangsstatements vor: Manja Schüle gibt sich selbstsicher, politisch erfahren und ist rhetorisch fit; Annalena Bearbock präsentiert sich offen, ebenfalls selbstbewusst und publikumsnah; Norbert Müller zeigt sich persönlich, analytisch und thematisch erfahren. (Dass er als Feminist vorgestellt wurde, scheint auch seiner Eigenwahrnehmung zu entsprechen.) Alle drei schaffen es, dass Ihnen gern zugehört wird – eine solide Basis für ausschweifende Redebeiträge im Bundestag.
Die drei Fragen, die letztlich beantwortet werden müssen, lauten:
– Was werden Sie unternehmen, um die Ursachen der Lohnlücke zwischen Männern und Frauen wirksam zu bekämpfen?
– Was sind für Sie wirksame Instrumente, um dem fortschreitenden Sexismus in der Öffentlichkeit und im öffentlichen Raum entgegen zu wirken?
– Welche Ideen haben Sie, bezahlbares Wohnen für jeden Geldbeutel möglich zu machen?
Während Annalena Bearbock sich für das Publikum bemühte indirekte und direkte Lohndiskriminierung voneinander zu unterscheiden, steigen Schüle und Müller kritisch darauf ein und führen die Ansätze ihrer Parteien sorgfältig aus (lässt sich in den Parteiprogrammen mühelos nachlesen, oder auch im Wahlblog des Frauenzentrums und des FPR FrauenStimmenGewinnen). Ein wertvoller Publikumsbeitrag weist auf die bereits in der Ausbildung beginnende Rentenkassendiskriminierung hin – vergleiche Hebammen und Industriemechaniker*in. Viel intensiver wird die Diskussion allerdings bei der zweiten Frage. Müller unterstreicht die Wichtigkeit von Aufklärungsarbeit (ebenso wie Bearbock) und gesetzlichen Regelungen z.B. zu sexistischer Werbung. Schüle befürwortet all das, verheddert sich dann allerdings in ihrer Vorstellung eines „vom Volk getragenen Aufschreis“, was irgendwie nach Gesellschaftsanalyse 1917 klingt. Und von tatsächlich kritischen Werberäten hat Schüle offenbar auch noch nichts gehört. Dann geht das Topic-Dropping weiter: Antidiskriminierung, Minderheitenschutz, gegenderte Konsumwelt, Prostitution – wobei die Debatte zu letzterem Thema gewohnt bigott ausfällt, da Parteipolitiker*innen gern mal ignorieren, dass wir uns im Kapitalismus alle verkaufen. Abschließend neben einer Neuauflage der Mietpreisbremse und sozialem Wohnungsbau, hat Schüle nicht viel anzubieten, Bearbock dagegen erinnert noch an die Reaktivierung der Wohngemeinnützigkeit und die Subventionierung sozialen Wohnraums für Wohnungsbaugesellschaften, Müller legt 250.000 Sozialwohnungen jährlich drauf.
Und dann ist das Gespräch leider schon vorbei. Alle haben Kinder und sind dankbar nach hause zu kommen. Eintracht in Rot-Rot-Grün.
Text: Laura Schleusener
Fotos: Ulrike Haefner