FRAUENsalon MACHT sichtbar (FH Potsdam)
Um auch in diesem Jahr an die Auseinandersetzung für Gleichstellung aller Geschlechter zu erinnern, fand anlässlich des internationalen Frauentages der Frauensalon der Universität Potsdam statt. Der Raum für Diskussion wird jedes Jahr von der Geschäftsstelle der Gleichstellungsbeauftragten der Universität Potsdam organisiert und wurde dieses Jahr in der WIS umgesetzt.
Um 17:30 fanden sich Teilnehmer*innen und Interessierte in der Wissenschaftsetage unter dem Motto der 27. Brandenburgischen Frauenwoche „Frauen MACHT faire Chancen“ zusammen. Bei dem Sektempfang wurde auf den Abend eingestimmt und die Ausstellung Frauen in der Mathematik (englische Originalversion: Women of Mathematics von Noel Tovia Matoff (Fotos), Sylvie Paycha (Interviews), Sara Azzali (Interviews)[et al.]) konnte begutachtet werden, die einen guten Einblick in die Werdegänge der Naturwissenschaftlerinnen geschaffen hat. Im Anschluss begrüßte Franka Bierwagen, die zentrale Gleichstellungsbeauftragte der Universität Potsdam, das Publikum im Kaminzimmer mit herrlichem Blick über Potsdam. Als Inspiration für den anschließenden Austausch hielten 3 Studierendengruppen des Lehrstuhls Geschlechtersoziologie Präsentationen über ihre Lehrforschungsprojekte zum Thema „Menschenrechte, Frauenrechte, Flüchtlingsrechte – Normativität und Praxis“, in denen die Rolle des weiblichen Geschlechts im Fokus der Betrachtung stand.
Die erste Präsentation befasste sich mit der Silvesternacht 2015/16 in Köln und dem Diskurs um die Ereignisse in dieser bestimmten Nacht, die uns allen heute noch in Erinnerung ist. Mit der Frage „Was war Köln?“ stiegen die Referentinnen, Linda Sonnenburg und Selina Alin, in ihr Thema ein und analysierten die vermeintliche Rechtsdebatte als „Scheindebatte, in der Körper von Frauen und Geflüchteten als Austragungsorte instrumentalisiert wurden.“ Die Vergewaltigungen der Frauen als Verletzung der Nation und damit vor allem auch als Verletzung des männlichen Egos verschiebt die Rechtsdebatte auf eine Ebene politischer Machtdemonstrationen. „Der weibliche Körper wird zu einer Kennzeichnung oder sogar Grenze der Nation […].“ Dabei wird die Wichtigkeit des weiblichen Körpers für den kollektiven nationalen Körper hervorgehoben, durch Vergewaltigung könne in den symbolischen Raum einer anderen Nation eingedrungen werden. Im weiteren Verlauf wurden die Deutungsmuster und Diskurse dieser Machtdemonstration analysiert und diskutiert. Aber, was war Köln denn nun? Eine „Verschärfung des Asyl- und Sozialstrafrechts legitimiert durch die Wissensanreicherung über Frauen als Opfer sexueller Gewalt, und über den Geflüchteten als Täter sowie Staat/Polizei als rechtmäßiger Beschützer der Bürger*innen.“
Nicht nur die deutschen Frauen erfuhren in dieser Silvesternacht Gewalt, sondern auch geflüchtete Frauen sehen sich mit dieser konfrontiert. In dieser Präsentation von Lisa Fattler und ihrer Kolleginnen geht es um die Wohnsituation in Erstaufnahmeeinrichtungen und ob Frauen (und besonders schutzbedürftige Menschen und Kinder) in Notunterkünften und Flüchtlingsheimen ausreichend geschützt sind. In Berlin wurde ein Schutzkonzept, der 7-Punkte-Plan, eingeführt. Dieser beinhaltet unter anderem eine schnelle Identifizierung von schutzbedürftigen Personen, die Schaffung von Unterbringungsmöglichkeiten, Sensibilisierung und Beratungsangebote sowie die Entwicklung eines Handlungsleitfadens zur Krisenintervention in Gewaltsituationen. Jedoch bleibt wie immer ein Problem: „[…] Es herrscht einfach eine Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis, zwischen Wunschdenken und Wirklichkeit“. Um in der Zukunft jeglichen Gewaltdelikten vorzubeugen, sind eine umfassendere Datensammlung, Monitoring und eine stärkere Finanzierung von Nöten.
In der letzten Präsentation ging es um das „Verwalten des Ankommens“, um die Alltagserfahrungen der Beschäftigten im LAGeSo und wie die Berliner Landesverwaltung die Situation 2015 empfand, als eine „riesige Masse von Flüchtlingen“ vor ihren Toren wartete. Der Flüchtlingsrat Berlin charakterisierte die Situation als „nicht nachvollziehbar und katastrophal“. Ina Müller und Emil Herrling referierten über die Lage der Mitarbeiter*innen des LAGeSo und des späteren LAF. Viele berichteten, dass sie teilweise 14 Stunden am Tag gearbeitet und sich zunehmend überfordert gefühlt haben – „Kein Licht am Ende des Tunnels“. Durch das Aufteilen auf fünf Standorte war das Beantragen von Asyl auch kein leichtes Unterfangen. Diese allgemeine Überforderungssituation und die Rechtsunsicherheit führten zu Handlungsproblematiken denen immer neue Systemanpassungen und persönliche Strategien entgegenstanden und auch heute noch entgegenstehen.
Nach den Präsentationen diente der Frauensalon als Plattform für einen angeregten Austausch seitens des Publikums wie der Referenten*innen. Danach klang der Abend in gemütlicher Atmosphäre mit persönlichen Gesprächen aus.
Text: Christina Merfeld
Fotos: Simone Ahrend