Frei leben – ohne Gewalt!

Posted by on Nov 24, 2015 in Allgemein

Morgen werden an mehreren Orten in Potsdam wieder die blauen TERRE DES FEMMES-Fahnen wehen. Sie fordern am Internationalen Aktionstag „NEIN zu Gewalt an Frauen!“ ein freies Leben ohne Gewalt! Und das ist bitter nötig: Denn jede vierte Frau in Deutschland ist oder war schon einmal von häuslicher Gewalt betroffen.

Im Potsdamer Frauenhaus haben 2014 43 Frauen und 36 Kinder Zuflucht gesucht. Die Hälfte von ihnen war zwischen 18 und 30 Jahre alt. Die meisten von ihnen sind Deutsche, ein Teil der Frauen stammt aus osteuropäischen Ländern, dem Libanon, der Türkei und Syrien oder aus asiatischen bzw. afrikanischen Ländern.

Viele haben eine Leidenszeit von mehr als fünf Jahren hinter sich, ehe sie sich entschließen, ihren Partner, der sie verbal herabwürdigt und einschüchtert, permanent kontrolliert und einschränkt, sexuell bedroht oder sogar schlägt, zu verlassen. Für nicht wenige von ihnen ist das eine folgenschwere Entscheidung.

Es gibt Frauen, die durch diesen Schritt nicht nur den Partner, die gemeinsame Wohnung, die materielle Existenz sondern auch ihre Kinder bzw. die Beziehungen zu ihrer Herkunftsfamilie verlieren. Und: häusliche Gewalt findet in allen sozialen Schichten statt und ist in der Öffentlichkeit weitgehend tabuisiert.

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Fahnenhissung vor dem Potsdamer Landtag 2014

Am 25. November ist seit 2001 alljährlich Gelegenheit, dagegen Flagge zu zeigen. Aber auch im Alltag sollten alle genau hinsehen, wenn Frauen Gewalt erleben und versuchen, das zur Sprache zu bringen. Das bedeutet in erster Linie, die betroffenen Frauen zu unterstützen, indem man sie beispielsweise auf Beratungsangebote wie den bundesweiten kostenlosen Notruf hinweist.

In diesem Jahr hat TERRE DES FEMMES den Schwerpunkt auf das Thema „Frühehen“ gesetzt. Und auf den ersten Blick könnte man meinen, dass dieses Thema in Deutschland zweitrangig ist. Doch Nadia Hübner vom Potsdamer Frauenhaus erzählt von einer jungen, in Deutschland sozialisierten Frau, die Urlaub mit ihren Eltern im Libanon machte und dort 16-jährig gegen ihren Willen verheiratet wurde.

Sie kam nach Deutschland zurück und durfte keinen Beruf erlernen. Erst mehr als zehn Jahre später schaffte es die Mutter mehrerer Kinder, trotz massiver Drohungen vor allem durch ihre Herkunftsfamilie, sich von ihrem ungeliebten und gewalttätigen Mann zu trennen und ins Frauenhaus zu gehen.

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Gerade für Frauen mit (mehreren) Kindern ist das ein ungeheuer folgenreicher Schritt, müssen sie danach sowohl um eine eigene neue Existenz als auch oft um das Sorgerecht für ihre Kinder kämpfen; ganz besonders, wenn der Vater ein Deutscher und finanziell besser gestellt ist als sie selbst.

Gegenwärtig sollten auch alle besonders hellhörig werden, wenn es um das Thema Gewalt gegen (alleinstehende) geflüchtete Frauen geht. Sie sind es, die während der Flucht und dem darauf folgenden Leben in Gemeinschaftsunterkünften geschlechtsspezifischer Gewalt besonders schutzlos ausgeliefert sind.

Die Landesarbeitsgemeinschaft der Gleichstellungsbeauftragten hat gemeinsam mit weiteren Unterzeichnerinnen einen Offenen Brief an den Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg verfasst, der dieses Thema in den Fokus rückt und das konsequente Vorgehen gegen geschlechtsspezifische Gewalt an asylsuchenden Frauen fordert.

Text: Astrid Priebs-Tröger
Foto oben: Simone Ahrend, sah-photo

Den Offenen Brief an Ministerpräsident Dietmar Woidke finden Sie hier
Eine Übersicht über die Veranstaltungen zum 25. November finden Sie auf unserer Webseite