Und es geht doch. Das Leben mit der Quote
Foto: Michael Groß/pixelio.de Das Thema interessierte vor allem Frauen. Mehr als 40 waren am 18. März in die Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung gekommen, insbe-sondere Lebenserfahrene aber auch junge Ingenieurinnen und Erzieherinnen zum Beispiel. Die vier Männer im Publikum konnten da schon fast als Quote gelten.
Auch auf dem Podium nur Frauen, die sich offen selbst als Quotenfrauen bezeichneten und mit ihren pointierten Vorträgen das Publikum zu einer lebhaften Debatte führten.
Hildegard Maria Nickel, erste weibliche Soziologieprofessorin an der Humboldt Universität Berlin und mit ihrer ostdeutschen Herkunft gleich eine doppelte Quotenfrau, wie sie augen-zwinkernd sagte, erinnerte an die Frauenbewegung in der DDR. Bereits zu Beginn der 1980er Jahre gruppierten sich viele Frauen im Land, wie stark, dass sei ihnen oft erst 1989 bewusst geworden. Schon im November haben Aktivistinnen einen offenen Brief formuliert, der die Einführung einer Frauenquote forderte, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, eine verbesserte Kinderbetreuung und die Ausgleichung regionaler Unterschiede. Vieles sei im Zuge der Wiedervereinigung verloren gegangen. Der Einigungsvertrag von 1990 ließ viele Frauenangelegenheiten offen. Nickel bilanzierte: „Die letzten 25 Jahre waren keine Fortschritts-jahre.“
Spannend, weil eher selten in der Öffentlichkeit diskutiert, waren die Einblicke von Nicole Griebel vom Einsatzführungskommando der Bundeswehr. „Die Quote hat sich bewährt“, so Griebel. „Angekommen sind wir Frauen aber noch nicht.“ Noch gebe es zu wenige Frauen in oberen Dienstgraden, die Voraussetzung für eine Besetzung in Führungspositionen sei. Ein amüsantes Detail der Bemühungen um die Integration von Frauen in die Bundeswehr: Bei ihrem Dienstantritt erhielten die weiblichen Anwärter eigens für Frauen geschneiderte Hosen. Doch die waren so ungeeignet für den „Dienst an der Waffe“, dass die Frauen um bequeme Männerhosen kämpften – mit Erfolg.
Die Ungleichbehandlung von Männern und Frauen bestätigte auch die Journalistin und Bloggerin Katrin Rönicke. Sie sprach über ihre Erfahrungen im Internet. Hier sei die Diskussion zwar schon weit fortgeschritten. „Die junge Generation ist stärker sensibilisiert für das Thema und die Quote quasi schon fest verankert in den Köpfen.“ Allerdings tauge das Internet nicht, um aus dem bestehenden Dilemma herauszukommen. „Dafür hängen wir zu sehr in alten Strukturen fest“, stellt die Autorin ernüchternd fest. So würden Frauen sexistisch angegriffen und müssten sich stärker rechtfertigen als Männer.
Die Diskussion im Publikum machte vor allem eins deutlich: Die Frauenquote wird einheitlich bejaht, auch von den anwesenden Männern. Dahinter steht jedoch ein großes Aber, das sich auf die Umsetzbarkeit in der Praxis bezieht, auf die unterschiedlichen Bedürfnisse, die es in der Gesellschaft gibt: Angefangen von höheren Lohnforderungen für Erzieherinnen bis zu Zwangs-verpflichtungen von Männern für so genannte Frauenberufe wie den Pflegebereich.
Elke Ferner, SPD-Frauenpolitikerin, machte allen Frauen Mut, sich auch Führungspositionen zuzutrauen. „Männer überschätzen sich, Frauen unterschätzen sich“, fasste sie ihre Erfahrungen zusammen. Applaus erhielt sie dafür nicht nur von den Frauen. Die wohl größte Anerkennung des Abends erhielten zwei Frauen, die das schwierige Thema, ohne ein hörbares Wort zu sagen, in Gesten übersetzten: die Gebärdendolmetscherinnen Anne-K. Mohos und Frau Zander.
Text: Lina Dingler, Studentin der Politikwissenschaften und Wirtschaft an der Universität Potsdam
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung
Fotos: Simone Ahrend, sah.photo