Geschmac-klos
In den Potsdamer Neusten Nachrichten wurde am 18.02. über die neue Event Location „Pirschheide“ berichtet. Die interessierte Leserin erfuhr daraus unter anderem etwas über die originelle Gestaltung der Herrentoiletten: Mann uriniert in der Pirschheide nämlich in einen offenen Mund mit knallroten Lippen.
Die holländische Designerin Meike van Schijndel gibt damit nicht nur Potsdamerinnen Anlass zur Empörung – die US-Amerikanische National Organization of Women hat sich erfolgreich gegen die Anbringung dieser Pissoire in Clublounges der Fluggesellschaft Virgin Atlantic gewehrt.[1] Auch in Wien wurden 2006 die sogenannten Kisses! Urinale auf Druck von Feministinnen aus der Opernpassage entfernt.[2] Wie humorlos, hört man den einen oder die andere schon einwenden.
Und überhaupt, so war es ja auch sicher nicht gemeint: Im Rolling Stones Fan-Museums in Lückow (Wendland) sind diese Urinale in Anlehnung an das Platten-Logo der Rolling Stones angebracht.[3] Der Mund vom Logo der Band unterscheidet sich allerdings entschieden von dem der Urinale, es sendet mit der rotzig ausgestreckten Zunge eine rebellische Botschaft. Nun, interessant wäre es, wenn die Designerin wirklich den Mund der Rolling Stones als Vorbild genommen hätte. Dann würden die Männer nämlich an die ausgestreckte Zunge von Mick Jagger pinkeln. Gegen diese Assoziation spricht allerdings auch der Name „Kisses!“.
Es geht uns nicht darum, ob jemand es lustig oder anderweitig anregend findet, sich vorzustellen, dass er jemandem in den Mund uriniert. Aber an einem öffentlichen Ort damit zu kokettieren, dass bereitwillig aufgesperrte Frauenmünder jederzeit für die Verrichtung der männlichen Notdurft bereitstehen ist bestenfalls gedankenlos, schlimmstenfalls frauenverachtend. Wir schlagen deshalb vor, diese Urinale schnellstmöglich zu demontieren. Dann könnte frau (und man) daraus schließen, dass es wirklich einfach „nur ein Witz“ war, der eben nicht besonders gut angekommen ist.
Abgesehen davon sind wir neugierig, wie die Damentoiletten gestaltet sind. Das war dem Artikel nämlich nicht zu entnehmen.
Frauenpolitische Rat Land Brandenburg e.V.,
Autonomes Frauenzentrum Potsdam,
Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Potsdam.
[1] Tell Virgin Atlantic: There’s Nothing ‚Fun‘ About Exploiting Women (Memento vom 29. April 2013 im Internet Archive), National Organization for Women
[2] Orte demonstrativer Frauenverachtung
[3] Björn Vogt: Rolling-Stones-Museum im Wendland. Sturm im Pinkelbecken. In: stern.de. stern.de GmbH, 9. Februar 2012, abgerufen am 17. Juli 2012 (Internetpräsenz der Zeitschrift Stern).; Ärger mit Stones-Toiletten in Lüchow. In: Focus Online. Tomorrow Focus Media GmbH, 29. Januar 2012, abgerufen am 22. Juli 2012 (Internetpräsenz der Zeitschrift Focus, Text der dpa). Siehe auch: »Die bleiben drin – und damit basta». In: EJZ Online. 28. Januar 2012, abgerufen am 25. Juli 2012.
Foto: https://www.flickr.com/people/24039797@N00 (creative commons)